Durch einen schwarzen Vorhang tritt man in einen abgedunkelten Raum und in eine andere Welt. Da vibriert und wummert es, da hämmert und rumort es, während auf Leinwänden Filme in Endlosschleife laufen.
Da ist eine Gestalt, die immer wieder Körperteile aus einer Kiste fischt und sich selbst zusammensetzt. Sie nimmt einen Schafskopf, einen Elefantenrüssel, Pferdebeine und ersetzt sie durch Bocksbeine.
«Eine politische Künstlerin»
Das wäre witzig, blitzten dazwischen nicht Bilder einer anderen Szenerie auf: eine nackte Frau auf allen Vieren, genau wie in einer Peepshow. Sie posiert ähnlich wie die fragmentarische Gestalt. Das ist abgründig, auch weil die schwedische Künstlerin Nathalie Djurberg ihre Figuren aus Knetmasse formt.
«Sie ist eine sehr politische Künstlerin, die das Private ins Gesellschaftliche bringt und umgekehrt», sagt Jana Novotny, die Leiterin des Fumetto Comic Festivals und Kuratorin der Ausstellung.
Ein Labyrinth zwischen Himmel und Hölle
Der Musiker Hans Berg hat die Filme mit einem rhythmisch geprägten Sound versehen. Während sich im Kunstmuseum Luzern die Kompositionen überlagern, sieht man jeweils nur einen Film. Erst um die nächste Ecke im Dunkel gibt es eine weitere Leinwand: Wir stecken in einer Art Labyrinth.
Es führt von der Hölle in den Himmel oder umgekehrt, je nach Gehrichtung. Doch ist der Himmel wirklich himmlisch? «This is Heaven» heisst einer der Stop-Motion-Filme. Eine Technik, bei der einzelne Bildaufnahmen zu einem Film zusammengefügt werden.
Auf einer Wolke steht ein fratzengesichtiger Kerl mit Glitzerdiamanten im Gesicht. Alles an ihm ist Gier: Die Medaillen, die er sich im Übermass um den Hals gehängt hat. Die diabolische Freude, wenn er einem Mutterschwein die Milch abzapft, statt sie den Ferkeln zu überlassen.
Endlose Korridore, kein Entrinnen
Erwartungen werden bei Nathalie Djurberg und Hans Berg unterlaufen. Alle Titel der sechs Filme im Labyrinth zitieren aus dem Werk der US-amerikanischen Dichterin Emily Dickinson. Eine Wesensverwandte, sagt Kuratorin Jana Novotny: «Auch sie hat Religion, Körperlichkeit und Identität zusammen in Räume gestellt, wo sie eigentlich nicht akzeptiert waren.»
In Nathalie Djurbergs Filmen spielen Räume ebenfalls eine Hauptrolle. «Die Schauplätze sind immer sehr eingeschränkt», führt Kuratorin Novotny aus. Häufig seien das Orte, die keinen Eingang oder Ausgang haben. Ist doch plötzlich eine Tür zu sehen, sei es Figuren und Betrachtenden meist nicht möglich, diesem Ort zu entkommen.
Gier, Sex und Profit
Wie in der Arbeit «One Need Not Be a House, The Brain Has Corridors» von 2018: Standen sonst Knetfiguren im Mittelpunkt der Handlung, so sind es in diesem Film die Betrachtenden selber: Als trügen wir eine Kamera vor uns her, gehen wir durch Gänge und Türen. Dabei begegnen wir skurrilen Gestalten. Es sind Wesen aus der Halbwelt; Tiere in Kleidern, Menschen, Mischwesen. Wieder geht es um Gier, Sex und Profit.
Dazwischen erscheinen ergraute Geistliche, die scheinheilig weihrauchschwenkend Gier und Gerüche übertünchen wollen. Hinter jeder Tür verbergen sich erneut Korridore und Gänge, die ins Ausweglose führen: wie ein unbekömmlicher Rausch, ein unaufhörlicher Alptraum. Ein wahrer Höllenritt.