Tiere, Autos, Gesichter, Früchte ... die wandfüllende Video-Projektion von Sara Cwynar erinnert an zielloses Surfen im Internet oder in Social-Media-Kanälen: Man kann endlos scrollen – es kommen immer mehr Bilder. Wild zusammengewürfelt.
Das sei typisch für Bilder im digitalen Raum, sagt Doris Gassert, Co-Kuratorin der Ausstellung. Die enorme Menge der Bilder, die auf die User einstürmen, das grosse Tempo. Ausserdem wissen wir nicht, woher die Bilder kommen, wer sie gemacht hat. Und wir wissen nicht, wie diese Bilder funktionalisiert werden, wenn wir sie wahrnehmen, sagt Doris Gassert.
Plüschtiere werben für Waffen
Mit Bildern lässt sich vieles zeigen, aber auch vieles verstecken. Die Künstlerin Noura Tafeche hat im Internet Bilder zusammengetragen, die eine Ästhetik der Niedlichkeit nutzen, um militärische Propaganda und Gewaltdarstellungen zu verbreiten. Kuschelige Plüschtiere machen Werbung für Waffen.
Das Fotomuseum Winterthur beschäftigt sich seit 10 Jahren schwerpunktmässig mit Fotografie im digitalen Raum. In der aktuellen Ausstellung untersuchen 14 Kunstschaffende, wie Bilder im Internet und in den sozialen Medien genutzt werden und wie sie auf die User wirken.
Für Kuratorin Doris Gassert ist klar, dass Bilder uns auch über den digitalen Raum hinaus prägen, dass sie Einfluss nehmen auf die Gesellschaft. Zum Beispiel, indem sie Klischeevorstellungen verfestigen.
Ein Turnschuh voller Softeis
Michael Mandiberg hat mithilfe eines speziellen Programms Millionen sogenannter Stockfotos von Bilddatenbanken analysiert und dabei wiederkehrende Muster entdeckt. Wenn es um Bilder aus dem Businessbereich geht, so sind weisse Männer in Anzügen zu sehen. Geht es um Themen wie Ernährung und Gesundheit, dann sind weisse, lächelnde Frauen zu sehen, die Salat essen.
Besonders problematisch: Diese klischeehaften Bilder werden auch dazu verwendet, um KI-Systeme zu trainieren. Die künstliche Intelligenz lernt also, dass erfolgreiche Männer Anzüge tragen und Frauen Salat essen.
Doch im Internets gedeihen nicht nur Klischeebilder. Ellie Wyatt hat für eine Videoarbeit Bilder gesammelt, die vermeintlich übernatürliche Phänomene zeigen: Ufos oder Monster. Die Qualität der Bilder ist dabei oft so schlecht, dass die Motive vage bleiben.
Auch Jon Rafman hat seltsame Bilder zusammengetragen. Gerupfte Hühner, die in einem Spülbecken hocken, wie in einem Whirlpool. Menschen mit verdrehten Gliedmassen. Ein Sneaker voller Softeis. Das sind die harmloseren Motive. Viele Bilder zeigen Gewalt und Leid. Oft in bizarrer Weise. Es sind Bilder, die erschrecken, die irritieren und von denen man sich dennoch nicht abwenden kann. Unklar bleibt, woher diese Bilder kommen, wer sie produziert und verbreitet.
Gegenschlag mit Hammer und Meissel
Für Doris Gassert vom Fotomuseum Winterthur signalisieren diese Bilder vor allem eines: dass wir lernen müssen, wie wir mit digitalen Bildwelten umgehen.
Hito Steyerl hat einen radikalen Vorschlag: Ein Video zeigt die Künstlerin mit Hammer und Meissel. Mit einem gezielten Schlag bringt sie die Oberfläche eines grossen Bildschirms zum Zerspringen. Und zerstört – zumindest symbolisch – die Macht der digitalen Welt.