Zum Inhalt springen

Header

Audio
Vom Leben und Sterben der Wölfe
Aus Kultur-Aktualität vom 28.10.2021. Bild: zvg
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 53 Sekunden.
Inhalt

Ausstellung in Zürich Diese Künstlerin rückt dem Wolf auf den Pelz

Acht tote Wölfe lösen bei der Künstlerin Luzia Hürzeler eine Obsession aus. Nun ist das Resultat ihrer Spurensuche zu sehen.

Die einen verlangen seinen Schutz, die anderen seinen Tod: Der Wolf wird politisch heiss diskutiert. Er ist da, aber nur selten sichtbar. Die meisten kennen ihn nur aus Märchen oder Sagen, aus Zoos oder Museen.

So ging es auch der Schweizer Künstlerin Luzia Hürzeler. «Ich weiss, dass es Wölfe gibt. Dass sie irgendwo ihr Leben leben. Aber ich weiss nicht, wer dieses Wissen produziert.»

Frau mit langen Haaren steht vor Baumstämmen.
Legende: «Ich habe gemerkt, wie wenig wir über Wölfe wissen»: Künstlerin Luzia Hürzeler. Claudia Herzog/Collegium Helveticum

Hürzeler wollte mehr herausfinden. Wer produziert die Darstellungen und Daten zu Wölfen? Von wem wird das Wissen über den Wolf hergestellt? Und wie wird die eigene Imagination eines Wolfsleben davon beeinflusst?

Diesen Fragen über das Leben und Sterben des Wolfes geht sie in ihrer Ausstellung «In the Last Place» im Collegium Helveticum in Zürich nach.

Schlafend unter Wölfen

Luzia Hürzeler befasst sich schon länger mit dem Verhältnis von Mensch und Tier. 2014 wollte sie eine Skulptur von sich in die Wolfsanlagen des Zürcher Zoos legen und beobachten, wie die Wölfe darauf reagieren. Der Zoo lehnte ab. Also blieb die Skulptur im Garten des Bildhauers.

Dort dann kam es, vielleicht unverhofft, doch noch zur gewünschten Begegnung zwischen Wolf und Skulptur. «Genau zu diesem Zeitpunkt kam ein Wolf ganz in der Nähe des Ateliers unter einen Zug. Es war das erste Mal seit 100 Jahren, dass ein Wolf im Kanton Zürich auftauchte», sagt Hürzeler.

Sie stellte sich vor, wie sich das gewünschte Bild vielleicht doch ereignet hat: ihre Skulptur unter schlafenden Wölfen. «Ohne dass ein Mensch es gesehen hätte», sagt sie.

Acht Tiere und ihre Geschichten

Hürzelers Interesse für den Wolf in freier Wildbahn war geweckt. Sie begann über das Tier, das seit 1995 zurück in der Schweiz ist, zu recherchieren und stiess in Museen im Wallis auf acht Wolfspräparate. «Ich begann sie zu fotografieren. Von diesem Moment an hatte ich die Obsession, alles über das Leben dieser acht Wölfe herauszufinden.»

Die Künstlerin machte sich auf Spurensuche und sammelte alle möglichen Indizien: Presseartikel, Obduktionsberichte, Statistiken und Daten zu Speichelspuren, Kadavern und Exkrementen der Tiere. Dabei halfen ihr ein Wildhüter, ein Museumstechniker und ein Spezialist für genetische Analysen von Wolfsspuren.

Zeitungsausschnitte mit Bildern von erlegten Wölfen.
Legende: Auszug aus den gesammelten Dokumenten der Recherchen der Künstlerin Luzia Hürzeler. zvg

«Wir mussten dafür an sehr unterschiedliche, zum Teil hoch gelegene Orte», erzählt Hürzeler. Einmal war die Hilfe einer Bergführerin nötig. Vor Ort begannen sie, die Daten zu kombinieren. Oder wie die Künstlerin es ausdrückt: «Wir haben innerhalb der Fakten eine Fiktion hergestellt, wie das gewesen sein könnte.»

Viel Fantasie, wenig Wissen

Luzia Hürzeler fotografierte den Todesort der einzelnen Tiere, zuerst nahm sie die Position des Wolfes ein, dann die des Schützen. Diese Fotos zeigt die Ausstellung in Leuchtkästen: Landschaften auf der Vorderseite und die Wolfspräparate der Museen auf der Rückseite. Zudem sind Videos mit den Experten und die erstellten Dossiers zu den acht Wölfen zu sehen.

Fotos einer Bergwiese in einer Ausstellung.
Legende: Einer der Sterbeorte eines Wolfes, den die Künstlerin dokumentiert hat (Installation «En dernier lieu» in der Ausstellung). Claudia Herzog/Collegium Helveticum

Die Künstlerin will mit ihrer Arbeit einen «Imaginationsraum öffnen». Denn unsere bisherigen Bilder und Darstellungen des Wolfes seien nur eine Sichtweise. «Ich habe gemerkt, wie wenig wir eigentlich wissen über das Leben dieser Tiere. Was der Wolf den ganzen Tag und während der Nacht so macht. Wir wissen es nicht, aber können uns viel vorstellen.»

Die Spuren, Zahlen und Fakten, die Luzia Hürzeler präsentiert, überlagern das gängige Bild des Wolfes. Ihre dokumentarische, kriminologische und poetische Arbeit zeigt, dass erst im Tod der Wolf zum Individuum wird. Gleichzeitig ist Hürzelers Werk eine Hommage an acht fast unsichtbare Tiere.

Ausstellungshinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Die Ausstellung «In the Last Place. Acht Wolfsleben» von Luzia Hürzeler ist bis am 13. November im Collegium Helveticum in Zürich zu sehen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 28.10.2021, 08:15 Uhr;

Meistgelesene Artikel