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Ausstellung «Lesende Mädchen» War der Schweizer Maler Albert Anker ein früher Feminist?

Albert Anker zählt zu den bedeutendsten Malern des 19. Jahrhunderts. Besonders beliebt: Seine Bilder von lesenden Mädchen. Progressiv, für damalige Zeiten. Und dennoch aktueller denn je.

Eine kleine Ausstellung mit relativ grossem Medienecho: Mehrere Schweizer Zeitungen titelten in den letzten Tagen über die Ausstellung «Lesende Mädchen» zu Albert Anker am Kunstmuseum Bern. «Streit um Albert Anker. Malte der Nationalkünstler die heile Welt oder war er ein visionärer Frauenförderer?»

Viele Anker-Fans sehen die Bilder als Darstellungen einer heilen Welt. Kuratorin Kathleen Bühler sieht das anders. Für sie sind die Bilder sehr modern für ihre Zeit. In Anker sieht sie einen engagierten Befürworter der Bildung für alle – auch für Mädchen.

Ein Gemälde einer Unterrichtsstunde mit vollen Schulbänken zu rechten und einer Tafel und Lehrern zur linken.
Legende: Unterricht in der Schule für Jungen und Mädchen: Ein beliebtes Motiv des Künstlers, der sich für den gleichberechtigten Unterricht stark machte. Kunstmuseum Bern

Sie freut sich, dass die Ausstellung diskutiert wird: «Jedes Mal, wenn wir es schaffen, dass Kunst diskutiert wird und die Frage gestellt wird ‹Was hat das mit mir zu tun?›, finde ich das toll. Dann lebt die Kunst und wir haben unsere Arbeit richtig gemacht.»

Leitmotiv: Lesende Kinder

Bühler hat eine Gruppe Bilder zusammengestellt, die lesende Mädchen zeigen oder Mädchen in der Schule. Auf manchen Bildern sieht man auch strickende Mädchen und Mädchen mit einem Laib Brot im Arm.

Aber immer ist auf den Bildern auch ein Buch oder ein Schreibheft zu sehen. Die Kuratorin betont, dass Anker dieses Motiv der lesenden Mädchen oft gemalt habe.

Eine junge Frau in schwarzer Kleidung sitzt auf einem Stuhl und liest. Sie ist im Profil gezeigt.
Legende: Junge Frauen sollen nicht nur den Haushalt übernehmen, sondern sich auch in der Schule weiterbilden – ein moderner Ansatz Albert Ankers? Kunstmuseum Bern

«Ich denke, es hat auch einen ganz praktischen Grund, dass Kinder ruhig halten, wenn sie lesen», so Bühler. Der Künstler hat nach dem lebenden Modell gearbeitet, die Kinder mussten also stundenlang still sitzen.

Bühler sieht noch andere Gründe für Albert Ankers Motivwahl «Mädchen mit Buch»: «Er war auch politisch tätig: Er war in Ins am Bielersee in der Schulkommission und war auch mitverantwortlich für die Einführung der Sekundarschule in der Gemeinde.»

Mädchen malen – und so die Erleuchtung bringen?

Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht in der Schweiz 1874: Das war ein grosses Thema für Anker und seine Zeitgenossen. Lange wurde darum gerungen, für wen diese Schulpflicht gelten sollte. Mussten auch Mädchen lesen, schreiben und rechnen können, genauso wie die Knaben? Sollte man sie früher aus der Schule entlassen, damit sie daheim im Haushalt helfen konnten?

Zwei Mädchen sitzen an einem Tisch und machen gemeinsam Hausaufgaben. Die ältere Schwester sieht jüngeren dabei zu.
Legende: Lesen ist bei Albert Anker nicht nur Angelegenheit der Jungs: Hier im «Schreibunterricht II» von 1865 unterstützen sich die Mädchen bei den Hausaufgaben. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen/Privatbesitz

Kathleen Bühler ist überzeugt, dass sich Anker bei diesen Diskussionen für die Bildung der Mädchen einsetzte. Auf einem Gemälde, das zwei Schwestern beim Schreiben und Stricken zeigt, hat die Ältere ihr Heft kurz beiseite gelegt, um der kleineren mit dem Strickzeug zu helfen. Das Heft leuchtet im Schein der Petroleumlampe.

«Man hat fast das Gefühl, dass es eine Art geistiger Prozess des Erkennens, der Erleuchtung ist. Aber das ist so ungezwungen ins Bild gesetzt, wie alles bei ihm so ungezwungen ausschaut.»

Die Ausstellung lädt dazu ein, Albert Anker neu zu sehen. Aber auch über das Recht auf Bildung nachzudenken, das bis heute nicht überall für alle gilt.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Lesende Mädchen» ist bis zum 21. Juli 2024 im Kunstmuseum Bern zu sehen.

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