Kleine Lämpchen glimmen in farbigen Kunstglasbausteinen. Die geheimnisvoll leuchtenden Objekte bilden den Auftakt zur Ausstellung «Sunken Cities». Geht man weiter in den nächsten Saal, taucht man buchstäblich ein in eine fremde Welt – eine Unterwasserwelt mit grünlichem Licht, waberndem Sound, wogenden Unterwasserpflanzen.
Korallen, Schwämme, silbrige Fischschwärme: Filmaufnahmen aus Unterwasserwelten werden auf nahezu alle Wände projiziert und von verspiegelten Decken reflektiert. Im Meerjungfrauenkostüm führt Emilija Škarnulyte durch die grünen Weiten.
Zwischen Mensch und Fisch, Märchen und Wirklichkeit
Das Meerjungfrauenkostüm sei eine Metapher, sagt Felicity Lunn, die Direktorin des Kunsthauses Pasquart in Biel. Škarnulyte sei in diesem Kostüm ein Zwischenwesen zwischen Mensch und Fisch. Eine Mittlerin zwischen Märchen und Wirklichkeit, zwischen Geschichte und Gegenwart.
Emilija Škarnulyte schwimmt durch eine Wunderwelt voller Pflanzen und Fische – in der aber immer wieder auch von Menschen gemachte Strukturen auftauchen: Ruinen einer antiken Stadt, die vor nicht allzu langer Zeit bei Neapel entdeckt wurden. Oder moderne Strukturen wie Militäranlagen oder wissenschaftliche Messstationen.
Es sind Orte, an denen zeitgenössische politische Themen verhandelt werden. Die Künstlerin berührt grundlegende Problematiken unserer Zeit: den Klimawandel, die Zukunft unserer Spezies.
Die psychologische Wirkung von Räumen
Wie werden Menschen durch ihre Umwelt geformt? Wie formen sie ihre Umwelt? Die Künstlerin stellt diese Fragen in ihren Filmen. Immer wieder wird dabei auch ihre eigene Prägung deutlich – als Frau, die über Jahrzehnte in der Sowjetunion aufgewachsen ist.
Da wäre zum Beispiel der berührende Film über die Grossmutter der Künstlerin, die infolge des Reaktor-Unglücks in Tschernobyl erblindete. Der Film zeigt die Grossmutter auf einem Spaziergang durch den Grutas-Park in Litauen, in dem Statuen aus der Sowjetzeit stehen.
Die kleine, blinde Grossmutter geht zwischen den monumentalen Skulpturen umher und betastet sie vorsichtig, um zu erfassen, wen sie da vor sich hat. Es sind die ehemaligen Helden des Sozialismus: Lenin und Stalin. Männer, die ihr Land und ihr Leben geprägt haben.
Wenn sie sich mit gestalteten Räumen beschäftigt, interessiert Škarnulyte immer auch, wer diese Räume geschaffen hat. Seien es nun antike Städte oder sozialistische Monumente.
Das Haus ohne rechte Winkel
Die litauische Architektin Aleksandra Kasuba spielt in Škarnulytes Werk eine wichtige Rolle. Auch deren Leben wurde stark durch männliche Dominanzansprüche geprägt.
Aleksandra Kasuba wanderte 1947 von Litauen in die USA aus. Grossen Erfolg hatte sie dort nicht, obwohl sie viele kühne Ideen entwickelte. Ideen, die von männlichen Kollegen aufgegriffen und als die eigenen verkauft wurden, wie Felicity Lunn erzählt.
In der Wüste von New Mexico baute sich Kasuba ein Haus. Ein Haus aus Rundungen, ohne rechte Winkel, das aussieht wie eine organische Struktur. Škarnulite zeigt es in einem Film, in dem die Rundungen des Hauses und die der Kakteen ringsum ineinander zu wachsen scheinen.
Intime Ausstellungssituation
Nicht nur in ihren Filmen beschäftigt Emilija Škarnulyte sich mit der psychologischen Wirkung von Räumen. Auch die Gestaltung der Ausstellungsräume ist ausgeklügelt: Sie sind in unterschiedlichen Farben gehalten und mit Teppichen ausgekleidet, um eine intime Stimmung zu erzeugen.
Vor einem ihrer Unterwasser-Videos hat die litauische Künstlerin Sitzgelegenheiten installieren lassen, die mit Pailletten überzogen sind – ganz wie der Fischschwanz ihres Meerjungfrauenkostüms.