Schnelle Autos, knappe Bikinis, Astronauten oder pralle Tomaten: In den 1960er- und frühen 1970er-Jahren bewegten der technischer Fortschritt, die Frauenemanzipation, Zukunftsoptimismus und eine unbeschwerte Lust am Konsum die Menschen.
Die Bildwelt der Pop Art spiegelt dies in leuchtenden Farben wider. Vor allem die Welt der Waren und der Werbung hatte es vielen Kunstschaffenden angetan. Nicht nur in Grossbritannien und den USA, wo die Pop Art ihre Wurzeln hat, sondern auch in der Schweiz, wo sie ein Jahrzehnt lang sehr populär war.
Aus Werbung wurde Kunst
In «Swiss Pop Art» zeigt das Aargauer Kunsthaus die erste umfassende Ausstellung zur hiesigen Pop Art der 1960er- und 1970er-Jahre: Der Künstler Peter Stämpfli malte Pneus, aber auch Pudding. Fernando Bordoni setzte auf Autos und Frauen.
Auf den Bildern von Emilienne Farny erschienen Werbeplakate als lebhafte Farbflecken im sonst grauen Stadtraum. Die Werbung wurde zur Kunst im Alltag.
Ungeahnte Möglichkeiten und echte Zahnputzbecher
Viele Künstlerinnen und Künstler, die damals am Beginn ihrer Karriere standen, mochten den neuen Kunst-Look: die kräftigen Farben und satten Flächen, die modernen, blasigen Formen.
Pop Art war für Kunstschaffende auch ein Spiel mit ungeahnten Möglichkeiten. Margrit Jäggli integrierte in gemalte Badezimmer-Szenen echte Zahnputzbecher. Susi und Ueli Berger entwarfen einen «Soft Chair», der halb Sessel, halb Kunstobjekt ist.
Prädikat: oberflächlich?
Doch die unbefangene Nähe der Pop Art zu Warenwelt und Werbung rief auch Kritik hervor. Der neuen Kunstrichtung wurde das Etikett der Oberflächlichkeit aufgedrückt. Das haftet ihr bis heute an.
Es gab aber auch gesellschaftskritische Pop Art. Die Ausstellung zeigt unter anderem eine Reihe von Collagen von Rosina Kuhn, Flavio Paolucci und Willi Schoder, die sich mit dem Vietnam-Krieg auseinander setzten.
Kunstwerke retten
Viele Kunstschaffende, die sich in den 1960er-Jahren mit Pop Art befasst hatten, wandten sich später radikal davon ab und vergruben ihre Pop-Art-Arbeiten in den hintersten Winkeln ihrer Ateliers.
Die Ausstellung zeigt einige Arbeiten, die seit den 1970er-Jahren nicht mehr zu sehen waren. «Viele Werke mussten wir lange suchen», erzählte Museumsdirektorin Madeleine Schuppli, die die Ausstellung gemeinsam mit Katrin Weilenmann eingerichtet hat.
Von manchen Arbeiten kannten die Kuratorinnen zunächst nur kleine Fotografien. Damit machten sie sich auf den Weg und stöberten Kunstwerke auf, die vollkommen in Vergessenheit geraten waren. Einige mussten aufwendig restauriert werden.
Kunstwerke wiederentdecken
Die Detektivarbeit hat sich gelohnt. Die Aarauer Schau zeigt neben bekannteren Positionen wie Franz Gertschs frühen, flächig-bunten Mädchen in Minikleidern oder Carl Buchers freundlich-blasigen Raumschiffen in der Serie der «Landings» faszinierende Wiederentdeckungen.
Zum Beispiel Lithografien und Bilder von Jean Lecoultre: Seine Arbeiten sind oft auf wenige, symbolhafte Motive reduziert. Sie erinnern an die Bildsprache der Surrealisten und des Film noir.
Eine weitere Wiederentdeckung: Die Gemälde von Flavio Paolucci, in deren satte Farbflächen einzelne Objekte wie etwa Damenstrümpfe integriert sind. Diese Ende der 1960er-Jahre entstandenen Arbeiten wurden noch nie gezeigt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 5. Mai 2017, 11.30 Uhr.