Zum Inhalt springen

Header

Audio
Fotograf Andri Pol im Bellpark Kriens
Aus Kultur-Aktualität vom 31.08.2021. Bild: Andri Pol
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 34 Sekunden.
Inhalt

Ausstellung von Andri Pol Solche Bilder setzen viel Vertrauen voraus

Frech und verspielt, intim und ikonisch: Andri Pol hat mit seinen Bildern das visuelle Gedächtnis der Schweiz geprägt. Begegnung mit einem Weitgereisten – anlässlich einer neuen Ausstellung.

Vielen seiner Aufnahmen begegnet Andri Pol seit Langem zum ersten Mal. Er hat die Leere der Pandemie genutzt und sein Archiv aufgeräumt. In dieser Zeit seien viele seiner älteren Arbeiten wieder aufgetaucht, die er gar nicht mehr präsent hatte.

Zum Beispiel seine Fotografien über pensionierte Knechte, Bauern und Hirten, die Andri Pol 1993 fotografierte. Es sind Schwarzweiss-Aufnahmen, die uns die Menschen ungeschönt, dafür ganz nah und intim zeigen.

Da sind Gesichter mit tiefen Furchen und Falten zu sehen. Ein ungepflegter Dreitagebart, kräftige Hände, ein muskulöser Nacken, die Zigarre in den Mundwinkel geschoben.

Ein alter Mann mit Zigarillo im Mund.
Legende: Ein Gesicht, das Geschichten erzählt: Nahaufnahme eines Knechts aus dem Jahr 1993. Andri Pol

Immer mit der Ruhe

Porträts sind für Andri Pol ein Weg, «um an eine Person heranzukommen und einzufangen zu versuchen, was sie ausmacht.» Für ihn sei es immer wichtig, zu den Leuten hinzugehen. Nur so könne er sehen, wie sie leben. Nur so könne er verstehen, was sie ausmache.

Man müsse sich Zeit nehmen. Mit den Leuten reden. Ihnen zuhören. Sie beobachten. Er versuche, sagt Andri Pol, nicht zu schnell auf den Auslöser zu drücken, sondern sich die Zeit zu nehmen, damit man auch ihn, den Fotografen, spüren könne.

Eine Frau mit Niqab.
Legende: Faszination Verhüllung: Ex-Miss-Schweiz Melanie Winiger – ein bisschen anders als sonst. Andri Pol

Damals in Tansania

Wie wichtig das Vertrauen seines Gegenübers ist, merkt Pol in Tansania, wo er Menschen mit Albinismus porträtierte. Das sind Menschen, die aufgrund einer Pigmentstörung helle Haut, helle Haare und fast rosa-blaue Augen haben.

Sie werden in Tansania ausgestossen, versteckt, manche sogar gejagt oder getötet, weil man aus ihren Körperteilen Zaubermittel herstellt. Andri Pol traf diese Menschen im Verborgenen.

In diesem Fall sei das Ziel gewesen, diese Personen zu zeigen. Zu zeigen, «dass das Kinder sind, die leiden.» Das habe viel ausgelöst. Es seien, sagt Pol, im Nachgang einige Reportagen zu diesem Thema entstanden. Sogar die Regierung sei aktiv geworden: Man habe Verantwortliche gefasst und ins Gefängnis gesteckt.

Ausstellungshinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Die Bilder von Andri Pol sind noch bis am 7. November im Museum Bellpark in Kriens zu sehen.

Der Reiz der Gegensätze

Andri Pol versteht sich als Journalist, auch als eine Art Chronist. Er fotografiert seit Ende der 1980er-Jahre. Seine Fotos sind bei vielen Texten und Reportagen das i-Tüpfelchen. Wenn er seine Protagonisten ablichtet, dann nicht, ohne sich im Vorfeld gut über sie informiert zu haben.

«Während der Recherchen fallen mir gewisse Dinge auf», sagt Pol. Wenn er einen schönen Bauernhof sehe und daneben ein Pneulager, dann müsse er unbedingt beides auf dem Bild haben.

Der Maler Gerhard Richter mit einem Bild in der Hand vor einem seiner Bilder,
Legende: Fotografie setzt Vertrauen voraus: Ein Bild von Gerhard Richter und seinen Bildern. Andri Pol

Bilder eines Bescheidenen

Inzwischen hat sich die Fotografie durch den Einfluss der sozialen Medien stark verändert. Das spürt auch Andri Pol. Die Leute wissen heute viel besser, was Bilder auslösen und bewirken können, stellt der Fotograf fest.

Das merke man vor allem bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. «Man spürt: Die sind gut vorbereitet, die sind geschult.» Das bedinge, dass er taktisch anders vorgehen müsse. Und wie macht er das? In die Karten blicken lassen will Andri Pol sich dann doch nicht.

Wenn es um ihn selbst geht, ist Andri Pol ganz bescheiden. Das einzige Bild, das von ihm in der Schau hängt, das ist klein. Er ist darauf nur unscharf zu sehen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 31.8.2021 , 7:06 Uhr;

Meistgelesene Artikel