Wenn sich Robert Bösch ein Ziel setzt, dann geht er an die Grenzen des Machbaren: als Alpinist, der die höchsten Berge dieser Welt bestiegen hat, und auch als Fotograf, der sich mit seinen Industrie- und Werbeaufnahmen genauso einen Namen gemacht hat wie mit seinen Landschaftsbildern.
Die Kunst des Bildersehens
Ob Sport- oder Landschaftsfotografie, eine Gemeinsamkeit streicht Bösch hervor: «Fotografieren ist für mich die Kunst des Bildersehens. Ob man Landschaft fotografiert oder Action: Man muss die Bilder sehen.»
Genau das versuchte der 62-Jährige auch bei den Fotografien für seinen Bildband «Aus den Bündner Bergen», die nun in der Galerie Bildhalle in Zürich zu sehen sind.
Bösch ging es bei dieser Arbeit weder um den Berg noch ums Bündnerland, wie er sagt. «Ich weiss, wie ich das Gebirge wirkungsvoll fotografieren muss. Da spielt immer das Licht mit, und man geht reflexartig bei Sonnenauf- und Untergang. Für mich war klar: Ich will diese Automatismen aushebeln.»
Robert Bösch suchte nach Bildern mit einer neuen, ungewöhnlichen Wirkung. «Es war mir schon bewusst, dass es nicht geht, in der Landschaftsfotografie das Rad neu zu erfinden», sagt er. «Am Schluss werden die Bilder viereckig sein, und sie werden Täler und Berge draufhaben.»
Die Furcht als Begleiter
Deshalb habe ihn während den zwei Jahren, in denen er an seinem Projekt gearbeitet hat, immer die Furcht begleitet, es könnte ihm nicht gelingen, andere Bilder zu machen.
Bösch ist ein Risiko eingegangen. Entstanden ist ein Prachtband, der die Kraft und die Schönheit der Bündner Berge einfängt. Zu sehen sind karge und ursprüngliche Landschaften, festgehalten hauptsächlich auf Schwarzweiss-Bildern oder in dezenten Farbtönen.
Ohne Menschen, aber nicht unberührt
Menschen und Tiere gibt es keine. Trotzdem sind Böschs Fotografien nicht Abbilder der unberührten Natur. Sie zeigen Wege oder Spuren im Schnee, hin und wieder schmiegen sich ein Haus oder ein Stall in die Landschaft, oder eine Staumauer zeugt von einem massiven menschlichen Eingriff.
Gesellschaftskritik übt Bösch damit nicht. Ihm geht es nicht um die Natur, ihm geht es um die Bilder. Entsprechend offen hat er sich ans Fotografieren gemacht: «Es ging mir nie darum, das Bündnerland als Gesamtes zu fotografieren. Ich war überall unterwegs und suchte Bilder.»
Verneigung vor der überwältigenden Bergwelt
Er sei sich bewusst gewesen, dass am Ende einiges fehlen könnte – dass etwa das Bergell nicht vorkommt, der Piz Roseg oder der Piz Bernina. «Am Schluss war dann doch alles drin», lacht Bösch.
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Denn er hatte Tausende von Bildern und musste eine rigorose Auswahl treffen. Entstanden ist ein grossformatiger, 200-seitiger Fotoband, dessen einzelne Aufnahmen enorm bildstark sind und ihre Stimmungen insbesondere als Ensemble wirkungsvoll entfalten: Dem Betrachter eröffnet sich eine Bergwelt, die so roh, einsam und überwältigend ist, dass man sich respektvoll vor ihr verneigt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 16.11.2016, 16.50 Uhr.