1120 handbemalte Dias – in den 1960er Jahren für einen kleinen Raum gedacht und mittels mehrerer Diakarussells gezeigt – werden in der Neuen Nationalgalerie von Hochleistungsbeamern in den Riesen-Raum projiziert. Zu hören sind dabei die Original-Anweisungen des Künstlers an die Bediener der Projektoren.
Forscher mit Mitteln der Kunst
«Wir wissen ja heutzutage, dass Licht artverwandt ist mit Materie», erklärt Piene. «Aber wie das ins Auge dringt, das ist eines der ganz grossen Weltgeheimnisse.» Als Forscher mit Mitteln der Kunst versteht sich der 86-jährige Piene, einst Gründer der Künstlergruppe Zero.
In Berlin kann man nun einen Querschnitt durch sein Werk erleben. Früh streben seine Arbeiten nach oben, früh ist sein Interesse am Himmel geweckt. «Das Licht am Himmel ist etwas besonders Faszinierendes für mich», sagt er.
Licht als spirituelles Element
Das Ende des Verdunklungszwangs nach dem Krieg hat Piene als grosse Befreiung empfunden – Frieden ist gleich Licht. So hat er einen Grossteil seines Schaffens eben diesem Medium gewidmet. Mit Lichträumen, Lichtballetten, aber auch mit Lampen. Das Licht ist für ihn ein geradezu spirituelles Element. «Wenn es etwas gibt, das dem menschlichen Geist am Nächsten kommt, dann ist es das Licht», schwärmt er.
Piene als Erneuerer der Kunst
1958 gründet Otto Piene mit Hans Mack die Zero-Gruppe, der sich auch Günther Uecker anschliesst. Zero steht für Avantgarde, für die Erneuerung der Kunst. Nach den schrecklichen Erfahrungen des Krieges wollen die Düsseldorfer Kunstpioniere optimistische Impulse in die Gesellschaft projizieren.
Auf der Documenta III (1964) ist ihre gemeinsame Raum-Installation «Hommage an Fontana» eine Sensation. Auch wenn Otto Piene sich erinnert, dass die Reaktion auf die Zero-Arbeit am Anfang «sehr negativ» war. Heute zählt Otto Piene zu den grossen Kunsterneuerern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und zu den grossen Experimentatoren.
Ein unverbesserlicher Träumer
Am populärsten sind Pienes gigantische Sky-Art-Events. Er zaubert fliegende Installationen in den Himmel und beschäftigt Heerscharen von Menschen. Zur Abschlussfeier der Münchner Olympiade 1972 lässt er einen Regenbogen steigen und setzt damit auch gegen den Terror ein Zeichen. «Kunst als Überträger von Energie ist ein wirklich interessantes Phänomen. Wie kommt es denn, dass wir in ein Museum gehen – müde und hungrig – und wir kommen aus dem Museum und fühlen uns erfrischt, erneuert, neu aufgeladen mit Energie?», fragt er.
Ganz in diesem Sinne liess Otto Piene am 19. Juli 2014 nachts vom Dach der Neuen Nationalgalerie aus seine fliegende Kunst in den Himmel über Berlin steigen. Auch mit 86 war er noch ein unverbesserlicher Träumer und Optimist.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei 3sat.de, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen.
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