Das Humboldt Forum in Berlin geizt nicht mit Superlativen: Nach einer siebenjährigen Bauzeit wurde das 40'000 Quadratmeter grosse Museum mit barocker Schlossfassade gestern eröffnet. Kostenpunkt: 680 Millionen Euro. Ein Hotspot für Kultur, Kunst und Wissenschaft – und auch ein Hotspot für einen jahrelangen Streit.
Um welchen Streit geht es? Im Humboldt Forum werden berühmte aussereuropäische Kunstsammlungen gezeigt. Das hat eine heftige Debatte über Raubkunst aus der deutschen Kolonialzeit ausgelöst. So haben auch bei der gestrigen Eröffnung Aktivistinnen und Demonstranten vom Verein «Decolonize Berlin» gegen das Humboldt Forum protestiert.
Spürt man diese Debatte in den Ausstellungen? Auf jeden Fall, sagt Maria Ossowski von der ARD. Als Folge der Raubkunst-Diskussion schwebt über allen sechs aktuellen Ausstellungen die Idee einer Vielstimmigkeit der Kulturen. Ausserdem ist eine kritische Auseinandersetzung mit den vergangenen Taten deutscher Kolonialherren zu spüren.
Wie präsentieren sich die Ausstellungen? Die Ausstellungen sind sehr partizipativ und modern gestaltet. Die intellektuellen Schwellen sind niedrig, eine Bildungsbürger-Attitüde gibt es nicht. Jedoch sind die Verweise auf koloniale Kontexte allgegenwärtig. Ein Beispiel: Schaut man sich den Film «Entertain Berlin» an, wird man erst einmal mit einem Schild gewarnt, dies seien rassistische Bilder aus der Sicht von weissen Personen und sie könnten re-traumatisierend wirken. Diese Vorsichtsmassnahmen zeugen von der Angst der Verantwortlichen, in der deutschen Kolonialismus-Debatte irgend einen Aspekt zu vergessen oder irgend jemanden zu beleidigen. Das ist überdeutlich und zuweilen irritierend, wie Maria Ossowski sagt.
Wie geht die Debatten um koloniale Raubkunst weiter? Die entscheidenden Ausstellungen sind noch nicht eröffnet. Das geschieht im September, wenn die aussereuropäischen Sammlungen aus dem Ethnologischen Museum und dem Asiatischen Museum zu sehen sind. Im Zentrum stehen das umstrittene Luf-Boot aus Papua-Neuguinea und die Benin-Bronzen, welche die Deutschen in einer kolonialen Strafaktion gestohlen haben. Zuletzt einigten sich Staatsminister und deutsche Museumsverantwortliche darauf, dass Deutschland die Skulpturen 2022 an ihr Herkunftsland Nigeria zurückgibt.
Künftig bespielen die Stiftung Preussischer Kulturbesitz mit zwei ihrer Museen und das Land Berlin das Humboldt Forum. Die Verantwortlichen greifen die Raubkunst-Thematik auf, bieten Diskussionen an, laden auch die Demonstrierenden ein. Denn das Thema ist omnipräsent – vor allem weil es bis vor drei Jahren nicht ausführlich diskutiert wurde – und wird uns noch lange begleiten.