Sieben Romane, hunderte Erzählungen und Briefe, exakt 1700 amtliche Akten: Friedrich Glausers Werk ist so enorm und sein Leben so vertrackt, dass eine Ausstellung darüber eine Herausforderung ist. Die nun von Christa Baumberger und Rémy Jaccard kuratierte und von Simon Husslein szenografierte Ausstellung im Strauhof in Zürich setzt ganz auf Glausers Texte und die sinnliche Erfahrung seiner Lebenswelten.
Vergitterte Fenster als Leitmotiv
Die Ausstellung «Friedrich Glauser – Ce n'est n’est pas très beau» beginnt im Erdgeschoss mit fünf zentralen Themen in Glausers Leben und Werk: mit dem Bevormundetsein, dem Schreiben, dem Leiden an sich selbst, dem prekären Verhältnis zur Schweiz und der Erfahrung des Eingesperrtseins.
Diese fünf Themenbereiche entfalten sich in einem nachtschwarzen Raum mit niedriger Decke, der nur durch fünf riesige identische Fenstergitter strukturiert wird. Gegen hinten wirkt der Raum immer enger, die Gitter multiplizieren sich in einem Zerrspiegel ins Unendliche. Es wirkt dann fast wie ein Schock, wenn man im deutlich heller gehaltenen oberen Stockwerk der Ausstellung dem Prototyp dieser Gitter begegnet: Winzig klein hat ihn Glauser 1920 ins Tagebuch gezeichnet, als er in der psychiatrischen Klinik Burghölzli war.
Trauriger Höhepunkt
Mit vier verlor Glauser seine Mutter, der Vater blieb ihm immer fremd. Als er aus dem Gymnasium flog, fing sein lebenslanger Leidensweg durch die Institutionen und Anstalten an. Früh begann er mit Drogen zu experimentieren, von der Morphin-Sucht kam er nie mehr los. 1917 fand er Halt bei Emmy Hennings und Hugo Ball, den Begründern des Dadaismus.
Doch als dem Vater zu Ohren kam, wo sich der Sohn herumtrieb – im Cabaret Voltaire – und was er tat – «Meine Spezialität war, Sprachensalat zuzubereiten» –, liess er ihn entmündigen, «wegen liederlichen und ausschweifenden Lebenswandels». Die Anzeige der Entmündigung im «Tagblatt der Stadt Zürich» vom 21.2.1918 gehört zu den traurigen Höhepunkten in der Ausstellung.
Messerscharfe Texte
Wichtiger jedoch als solche Exponate sind Glausers Texte. Kalkweiss erscheinen sie auf den schwarzen Wänden im Untergeschoss, in gewohntem Schwarz im lichteren Obergeschoss. Es war die erklärte Absicht der Ausstellungsmacher, das Szenografische Glausers geschriebenem Wort unterzuordnen. Die Hauptrolle in der Ausstellung sollte der Autor Glauser haben – nicht der Drogensüchtige, der Delinquent, der Irrenhäusler.
Insbesondere in den Briefen waren Glausers Texte messerscharf. «Ich komme mir wie ein abgehetzter Hase vor, der sich endlich in eine Ackerfurche vor den Hunden gerettet hat», konnte er zum Beispiel schreiben, als er die Erlaubnis bekam, mit seiner Freundin, der Psychiatrieschwester Berthe Bendel, nach Frankreich zu fahren. «Die Hunde: Behörde, Amtsvormundschaft, Psychiater.»
Engel und Rowdy zugleich
Aus heutiger Sicht ist nicht mehr nachzuvollziehen, weshalb eine literarische Begabung ersten Ranges wie Friedrich Glauser derart unter die Räder geriet, die Diagnose «schizophren» erhielt und lebenslang entmündigt blieb. Zwar gab es die Drogen und die Beschaffungskriminalität. Zwar war Glauser ein zerrissener Mensch und die Freundin Emmy Hennings schrieb einmal, er hätte «das Aussehen eines Engels und eines kleinen Rowdys zugleich» gehabt.
Beiträge zum Thema
Aber das rechtfertigt nicht eine Existenz als «Drahtpuppe […], die von Psychiatern, Vormunden und Vätern zu gemessenem Tun gezogen wird». Der Ausstellung «Friedrich Glauser – Ce n’est pas très beau» gelingt es gerade durch die Konzentration auf das Glausersche Wort, das Glausersche Leben zwischen Sucht, psychiatrischer Klinik, Gefängnis, Fremdenlegion, aber auch mit intensiven Freundschaften und grosser literarischer Produktion erfahrbar zu machen.