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Rodolphe Burger
Aus Kultur Extras vom 04.02.2016.
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Big Dada «Auch beim Sinn für Humor gibt es einen Röschtigraben»

Mit Wortschnipseln, Charme und Absurditäten erweitert der französische Sänger Rodolphe Burger seine Rockmusik – und bezieht sich damit immer wieder auf Dada. Bei den Dadaisten schätzt er den Nonsens, die Sprache, die Performance – und den Humor. Dieser sei aber nicht überall gleich gut verständlich.

Auf dem Album «Psychopharmaka», das Sie 2013 gemeinsam mit Olivier Cadiot herausgaben, finden sich Songtitel wie «Dadasophe», «Dada-Bewegung» oder «Da Da Da». Dada spielt in diesem Album offensichtlich eine Rolle.

Rodolphe Burger: «Psychopharmaka» ist eine Art Tribut-Album an die deutsche Kultur. Gemeinsam mit meinem guten Freund und Schriftsteller Olivier Cadiot wollten wir ein Album aufnehmen, das all das ehrt, was wir als Franzosen an der deutschen Kultur lieben. Dada durfte da selbstverständlich nicht fehlen.

Rodolphe Burger

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Rodolphe Burger, 1957 geboren, ist Sänger und Gitarrist. Der ehemalige Philosophie-Professor tritt seit vielen Jahren als Solokünstler auf. Zudem leitet er das Musik-Festival «C'est dans la vallée». Im Cabaret Voltaire stand er anlässlich des Art’s Birthday gemeinsam mit Joke Lanz und Cathy van Eck auf der Bühne.

Worum geht es im Song «Dada-Bewegung»?

Auf Französisch bedeutet «dada» Pferd, also «cheval», und «Bewegung» «mouvement». «Dada-Bewegung» entstand aus dem Song «Cheval mouvement», welchen Olivier Cadiot und ich bereits im Jahr 1993 schrieben. Für das Album «Psychopharmaka» mixten wir die ursprünglichen Texte mit einigen deutschen Satzstücken aus dem dadaistischen Kontext, vom «Hans im Schneckenloch» bis zu «Pillen im Birkenwald».

Bei einem weiteren Song, «Dadasophe», verwendeten wir Audioaufnahmen der berühmten Ursonate von Schwitters. Daraus machten wir ein neues Stück – und damit das Gegenteil der Dadaisten.

Inwiefern das Gegenteil?

Die Ursonate brach mit allen vertrauten musikalischen Gesetzen. Die Dadaisten wollten grundsätzlich sämtliche Bänder mit der Tradition durchtrennen. Wir hingegen setzten die Ursonate in einen tonalen Kontext, liessen Harmonien und Melodien einfliessen. Mit der Gitarre suchte ich stimmige Akkorde. Das ist, wie wenn Schubert LSD genommen hätte.

Wie beeinflusste Sie Dada?

Ich kann nicht behaupten, von den Dadaisten «beeinflusst» worden zu sein. Dafür waren sie viel zu radikal. Sie brachen nicht mit sämtlichen Traditionen, um eine neue zu begründen. Das ist ein Widerspruch, der für die gesamte Avantgarde gilt. Dada ist Nonsens Die Dadaisten wollten keine Bewegung sein, wollten keine Geschichte schreiben. Also kann ich mich auch nicht in eine Traditionslinie mit ihnen setzen. Aber: Sie sind eine Referenz für mich und ein wunderbares Beispiel dafür, was Kunst ist.

Wie die Dadaisten von Sprache Gebrauch machten, beeindruckt mich ebenso wie der Akt der Performance. Und sie brachen den Geist der Ernsthaftigkeit. Ich liebe diesen hochstehenden Humor! Kunst gerät zum Desaster, wenn sie ernsthaft zu sein versucht. Sogar die Surrealisten waren für meinen Geschmack zu ernsthaft – die Dadaisten hingegen eröffneten einen neuen Raum.

Einen Raum, den Sie betraten?

Ja. Und mit mir zahlreiche andere: In der Schweiz gibt es eine Tradition von Künstlern und Künstlerinnen, die ebendiesen speziellen Geist weiter repräsentieren – Menschen wie Christoph Marthaler. In seiner Arbeit spüre ich etwas von diesem dadaistischen Geist. Ich denke, Leute aus romanischen Ländern können das weniger gut nachvollziehen – auch beim Sinn für Humor gibt es wohl eine Art «Röschtigraben».

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