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Kunst Bilder, die den Raum zwischen Leben und Tod sichtbar machen

Was kommt nach dem Tod? Diese Frage kann die Lausanner Fotografin Virginie Rebetez nicht beantworten. In ihrer Arbeit hält sie aber das fest, was nach dem Tod von Menschen übrigbleibt. Damit stellt sie elementare Fragen über die Identität von verstorbenen Menschen.

Auf einem Friedhof in Südafrika. Die Angehörigen verhüllen eine Zeit lang die Grabsteine der Verstorbenen. So haben sie Zeit Abschied zu nehmen und das nötige Geld für die Abdankungsfeier zusammenzutragen.

Die Lausanner Fotografin Virginie Rebetez zeigt in ihrer preisgekrönten Fotoarbeit die verhüllten Grabsteine vor schwarzem Hintergrund. Stille Skulpturen, eingefroren in der Zeit. Wartend auf ihre Enthüllung, damit der Verstorbene endgültig gehen kann.

Ein letztes Portrait der Grosstante

Zur Person

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Die Fotografin Virginie Rebetez ist 1979 in Lausanne geboren. Sie hat Kunstfotografie in Vevey (VD) und in Amsterdam studiert. Zweimal bekam sie ein Stipendium für einen Auslandaufenthalt, in New York und in Südafrika. Für ihre Fotokunst hat sie 2014 den Schweizer Designpreis erhalten. Sie lebt und arbeitet in Lausanne.

Seit über 15 Jahren beschäftigt sich Virginie Rebetez in ihrer künstlerischen Arbeit fast ausschliesslich mit dem Tod. Dabei fotografiert sie nicht etwa tote Menschen, sondern vielmehr «den Raum zwischen Leben und Tod», wie sie sagt. «Wie kann man dem Unsichtbaren, jemandem der nicht mehr da ist wieder eine Form geben?» fragt sich Virginie Rebetez.

Ausschlaggebend für diese Fokussierung auf die Vergänglichkeit war ein bestimmter Moment in ihrem Leben. Als sie noch Kunstfotografie in Vevey studierte, erkrankte ihre Grosstante an Krebs. Sie bat Rebetez um ein letztes Porträt vor dem Tod.

«Das war ein sehr wichtiger Moment für mich», sagt die heute 36-Jährige, «weil damals meine ganze Fragerei begann: Was bedeutet das, ein letztes Bild? Der letzte Moment?» Plötzlich hatte die Fotografie einen völlig anderen Stellenwert für sie.

Das Ende eines Lebens ist auch ein Anfang

Rebetez‘ wegweisende Arbeit heisst «Flirting with Charon»: 2008 sucht die Fotografin in Amsterdam Wohnungen von kürzlich verstorbenen und sozial ausgeschlossenen Menschen auf, und inszeniert sich darin selber. Damit schafft sie eine Brücke zwischen dem Betrachter und der verstorbenen Person.

Ihre grossformatigen Bilder lässt sie in einem Genfer Fotolabor entwickeln. So auch ihre Arbeit «Packing» aus dem Jahr 2012. Darin zeigt sie Porträts von Kleidern, in denen Menschen gestorben sind. Auf den Bildern sind sie schön zusammengelegt. «Das Zusammenlegen der Kleider ist ein symbolischer Akt. Denn es bezeichnet einerseits ein Ende, andererseits ist es der Beginn einer neuen Reise» sagt Virginie Rebetez.

Spurlos verschwunden

Ihre aktuelle Arbeit, die im April in der Lausanner Galerie Christopher Gerber zu sehen war, heisst «Out of the Blue», zu Deutsch: «Aus dem nichts, plötzlich.» Genau so verschwand die 19-jährige Suzanne im Jahr 1998 in der Nähe von New York. Auch 17 Jahre später ist immer noch nicht klar, was mit ihr passiert ist. Virginie Rebetez untersucht diesen Zustand der unbeendeten Identität.

Dafür fotografierte sie alte Briefe von Suzanne und Hubschrauberaufnahmen der Polizei, die während der Suche nach ihr geschossen wurden. Sie porträtierte Suzannes Eltern, die ihr Leben seit dem Verschwinden der Tochter der Aufklärung und Betreuung von anderen Eltern in derselben Situation widmen. Rebetez verzichtet aus Respekt bewusst darauf, das Gesicht der Vermissten zu zeigen.

Die Erinnerung ist relativ

Die Westschweizer Fotokünstlerin sucht nach dem Unsichtbaren, nach der Seele eines Menschen. Für sie lebt die Seele nach dem Tod weiter – die endgültige Abwesenheit gibt es nicht. Deshalb würde sie es auch sehr aufregend finden, wenn jemand nach ihrem eigenen Tod einen Aspekt aus ihrem Leben ebenfalls künstlerisch umformen und daraus etwas Neues kreieren würde.

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