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Blutiges Renaissance-Gemälde Zersägtes Kunstwerk wiedervereint: Oben edel, unten enthauptet

Ein Bild wird zersägt, weil ein abgetrennter Kopf nicht ins Wohnzimmer passt. Jahrzehnte später hängen die Teile wieder zusammen – und erzählen mehr als sie zeigen.

Im Herzoglichen Museum Gotha hängt seit dieser Woche ein Bild, das eigentlich zwei Bilder ist. Die aber mal eins waren. Oder besser: zwei Hälften eines Bildes, das einmal ein Ganzes war. Es zeigt eine junge Frau in prächtigem Kleid – und darunter, auf einem separaten Holzbrett, der abgeschlagene Kopf eines Mannes auf einem Teller.

Die Rede ist von «Salome mit Johannesschüssel», einem Renaissance-Gemälde, das selbst Opfer einer «Enthauptung» wurde, zersägt von einem Kunsthändler auf der Suche nach Profit – und womöglich der grösste Coup an dem Werk.

Ein Bild, zwei Leben

Entstanden ist das Werk um 1530, in der Werkstatt von Lucas Cranach dem Älteren. Es zeigt die biblische Geschichte der Salome, die für König Herodes tanzt und sich als Belohnung den Kopf Johannes des Täufers wünscht. Ein Klassiker der christlichen Kunst. Oft gemalt, oft diskutiert.

Frau im Renaissance-Stil mit einem Kopf auf einem Tablett.
Legende: Eine Fotografie des Originalwerks von Lucas Cranach vor der Teilung. Einst gelangte das Werk wohl als Teil einer Mitgift der Herzogin Elisabeth Sophie von Altenburg (1619-1680) nach Gotha. Friedenstein Stiftung Gotha

Doch die wirklich spannende Geschichte beginnt erst 1936 – als ein Kunsthändler das Bild kauft und zersägt. Natürlich ganz im Sinne des Geschäfts. Denn das Antlitz einer eleganten Frau verkauft sich besser als eines, das einen blutigen Kopf auf einem Tablett präsentiert. Also wird Salome kurzerhand zur «ernestinischen Prinzessin» umetikettiert, der Hintergrund aufgehellt, und das Ganze als dekoratives Damenporträt vermarktet. Marketing schlägt Frömmigkeit.

Und der Kopf? Wird beiseite getan beziehungsweise bleibt im Museum. Fast ein Abbild unseres heutigen Fleischkonsums: Das Edle kommt in die Auslage, der Rest wird entsorgt. Und doch ist erstaunlich, wie gut beide Bildhälften für sich funktionieren. Kunst bleibt Kunst.

Kulturell wertvolle Bereicherung?

Fast 90 Jahre später sind beide Teile wieder in Gotha. Der obere Teil tauchte 2024 überraschend im Kunsthandel auf. Die Stiftung Friedenstein, die das Museum betreibt, ersteigerte ihn mithilfe von Spenden. Seitdem hängen die beiden Teile wieder zusammen im Altdeutschen Saal – in getrennten Rahmen. Ob sie je wieder physisch zusammengefügt werden, ist offen. Restauratorisch wäre das möglich, aber nicht ohne Spuren.

Mann präsentiert zwei Gemälde an roter Wand.
Legende: Nach über 90 Jahren wieder vereint: Salome mit Johannesschüssel im Altdeutschen Saal des Herzoglichen Museums Gotha – noch allerdings in getrennten Rahmen. Sammlungsleiter Timo Trümper zeigt, wo der Schnitt sitzt. Friedenstein Stiftung Gotha

Die einschneidende Geschichte des Kunstwerks wird also für immer bleiben. Doch vielleicht ist genau das der Punkt? Die Trennung ist Teil der Geschichte. Ist das Zersägen dieses Kunstwerks also ein Akt der Zerstörung – oder ein Eingriff, der selbst künstlerischen Wert angenommen hat?

Der Kunsthändler von 1936 wollte vermutlich einfach verkaufen, nicht provozieren. Und doch hat sein Eingriff das Werk nachhaltig verändert, erweitert und in einen neuen Kontext gestellt. Heute sehen wir nicht nur eine biblische Szene. Sondern die Spuren der Ökonomie, der Moral und des Geschmacks vergangener Jahrzehnte. Was wir zeigen wollen, und was verstecken.

Was sehen wir wirklich?

Die Wiedervereinigung der Salome zeigt, wie sehr Kunst vom Zeitgeist geprägt ist; vom Markt, Besitz, von unserem Umgang mit Bildern. Es stimmt natürlich, was der Sammlungsdirektor Tino Trümper dem MDR sagte: Eine Prinzessin macht sich besser über dem Sofa als ein blutiger Kopf. Aber beides zusammen erzählt die bessere Geschichte.

Und wofür geht man lieber ins Museum: für ein Wohnzimmerbild – oder für eine buchstäblich kulturelle Bereicherung?

Radio SRF2 Kultur, Kultur Aktualität, 2.9.2025, 17:30 Uhr.

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