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«Bourse de Commerce» in Paris Diese (ausgestopften) Katzen dösen im neuen Pariser Kunsttempel

François Pinault besitzt bereits zwei Museen in Venedig. Auch die « Pinault Collection» ist prominent platziert: Das neue Museum liegt zwischen Louvre und Centre Pompidou.

Es war wie im Märchenschloss von Dornröschen, sagt Museumsdirektor Martin Berthenod über die vergangenen Monate. «Alles war bereit, die Kunstwerke installiert, aber niemand durfte rein.» Die Eröffnung sei nun eine «echte Befreiung».

Das Dornröschenschloss, das da mitten in Paris zum Leben erwacht ist, ist die «Bourse de Commerce», die ehemalige Handelsbörse: ein runder Bau aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit einem beeindruckenden Glaskuppeldach. Elegant, minimalitisch und raffiniert hat der japanische Architekt Tadao Ando den neo-klassizistischen Rundbau in einen «Tempel» für die Gegenwartskunst umgestaltet.

Museum
Legende: Das Publikum kann die aus Pinaults Sammlung ab dem 22. Mai besuchen. Keystone/EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Minimalismus und Eleganz der Architektur

Andos architektonischer Geniestreich ist ein Kreis: Eine kreisrunde, neun Meter hohe Betonmauer verwandelt den zentralen Kuppelsaal zu einem eleganten, fast schon meditativen Museumsraum. An der Aussenseite des Betonzylinders führen Treppen und Brücken zu den Ausstellungsräumen in den beiden oberen Etagen. Ein rundum laufender Wandelgang eröffnet in luftiger Höhe ausserdem den Blick auf das frisch restaurierte Deckengemälde aus dem Jahr 1889.

Museumssaal
Legende: Mitten im Saal: Die wächserne Skulptur «Raub der Sabinerinnen» des Schweizer Künstlers Urs Fischer. Keystone/EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Die etwa 200 Werke der Eröffnungsausstellung mit dem Titel «Ouverture» hat der Hausherr unter den mehr als 10'000 Arbeiten seiner Sammlung persönlich ausgewählt.

«François Pinault hat den Ton vorgegeben», sagt Museumsdirektor Martin Bethenod: «Sein Wunsch war es, den Blick zu öffnen für eine Kunst, die offen ist gegenüber der Welt und gesellschaftlichen Fragen wie Rassismus, Postkolonialismus, Feminismus oder Identitätspolitik. Kunst, die in der Wirklichkeit verankert ist.»

Mann vor Bild
Legende: Museumsdirekor Martin Bethenod vor einem Bild des US-amerikanischen Künstlers Kerry James Marschall. Keystone/EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Anders als in Venedig, wo vor seinem Palazzo Grassi ein pink glänzender «Balloon Dog» von Jeff Koons thront, setzt Pinault in Paris nicht auf Show oder Provokation. Viel gute Malerei ist zu sehen in den Galerien der zweiten Etage: Etablierte Künstlerinnen wie Miriam Cahn oder Marlene Dumas, Peter Doig oder Luc Tuymans, aber auch jüngere, noch weniger bekannte wie die Malerin Lynette Yiadom-Boakye, deren packende Porträts Schwarzer Menschen 2019 bei der Venedig-Biennale im Pavillon von Ghana gezeigt wurden.

Ausstellung
Legende: Auch die englische Künstlerin Lynette Yiadom-Boakyes mit Wurzeln in Ghana ist in der neuen Ausstellung vertreten. Keystone/EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Beeindruckend sind auch die 40 Arbeiten des afro-amerikanischen Künstlers David Hammons, geboren 1943. Die kleine Werkschau ist seine umfassendste, die bislang in Europa zu sehen war.

Hammons sei ein Künstler, dem er sich seit mehr als 40 Jahren besonders verbunden fühle, sagte François Pinault im Radiosender France Inter. «In seiner Jugend hat er als Afro-Amerikaner extrem unter Rassismus gelitten. Irgendwann erfuhr er, dass ich aus einer bretonischen Bauersfamilie stamme. Da sagte er zu mir: Wir sind uns ähnlich. Und so wurden wir echte Freunde. Ich bin weltweit der einzige Sammler, der so viele Werke von ihm besitzt.»

Katzen auf Pflöcken
Legende: «High Level of Cat» von David Hammons in der «Bourse de Commerce». Keystone/EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Macht und Metamorphosen der Kunst

In seinem neuen Pariser Museum zeigt sich also einmal mehr die immense Bedeutung und auch Macht des Multimilliardärs Pinault in der Kunstwelt. Über 160 Millionen Euro hat er sich Umbau und Renovierung der Bourse de Commerce kosten lassen.

Spektakulär ist auch die Installation im architektonischen Herz des neuen Kunsttempels. In der zentralen Rotunde sind Skulpturen des Schweizers Urs Fischer zu sehen, unter anderem «Der Raub der Sabinerinnen», eine monumentale Kopie der berühmten Marmorskulptur des Spätrenaissance-Künstlers Giambologna.

Aber Urs Fischers Version ist aus Wachs – eine enorme Kerze, die in den kommenden Wochen dahinschmelzen wird. Wer sie noch in ganzer Grösse erleben will, sollte sich also beeilen. Die Metamorphose ist unaufhaltsam, auch Kunst könnte jederzeit wieder verschwinden.

 

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 21.05.2021, 07:06 Uhr

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