Wer je eines von Chris Wares Büchern gelesen hat, wird es nicht mehr vergessen. Einzigartig sind sie: reich, voll und furchtbar traurig.
Seinen Durchbruch erlebte der US-amerikanische Comiczeichner im Jahr 2000 mit «Jimmy Corrigan», der Geschichte über den «klügsten Jungen der Welt». Es hagelte Preise. Sein zweiter Streich, «Building Stories», kam zwölf Jahre später heraus und wurde ebenfalls reich dekoriert. Weitere sieben Jahre dauerte es, bis 2019 das dritte Buch, «Rusty Brown», erschien.
Die aktuelle Schau im Cartoonmuseum Basel zeigt, warum das immer so lange dauert mit den neuen Comics bei Chris Ware. Und auch, warum jeder Neue mit Preisen überhäuft wird. Jeder dieser Comics ist ein ganzes Universum, randvoll gefüllt mit Alltag, Detailaufnahmen, Erinnerungen, Wünschen, Hoffnungen und Enttäuschungen.
Als sei das nicht genug, kommen ausserdem dazu: Schriftzüge aus gefühlt 200 Jahren Typografie-Geschichte, zickzacklaufende Kästchen und Geschichten, für die Chris Ware jeweils ein eigenes Format findet, eigene Umschläge gestaltet, extra Pläne zeichnet, zusätzliche Bastelbögen einlegt … Er hört einfach nicht auf zu gestalten.
So dicht und voll wie das Leben selbst
Er wolle seine Leserinnen und Leser eben auf keinen Fall enttäuschen, sagt der Künstler im Interview mit SRF. Er trägt eine runde Brille und strahlt einen jungenhaften Charme aus, auch wenn er bald 60 Jahre alt wird. Seine Bücher sind so dicht und voll wie das Leben selbst.
Wie im echten Leben werden auch bei Chris Wares Comics die Dinge immer interessanter, je genauer man hinsieht. Der Zoom ist eine seiner bevorzugten Erzählweisen. Mehrere Zeitebenen nebeneinander zu stellen, eine andere. Wie im menschlichen Hirn sei auch im Comic alles gleich präsent: Erinnerungen, Gegenwart, Zukunftswünsche. Das sei die Kraft des Comics, so Chris Ware.
Mit dieser Kraft erzählt Ware seit über 30 Jahren tieftraurige Geschichten über einsame Menschen, wie die Lehrerin Joanne Cole, den Aussenseiter Rusty oder die beste Biene der Welt. Wir erfahren von ihren Kindheitserinnerungen und Hoffnungen, von den Enttäuschungen und kreisenden Gedanken in der Nacht.
Zeitreisen am Küchentisch
Das Geschichtenerzählen habe er von seiner Grossmutter gelernt, sagt Chris Ware. Stundenlang habe sie am Küchentisch aus ihrem Leben erzählt. Er sei mit ihr auf Zeitreise gegangen, habe versucht zu verstehen, wie ihr Leben war. Darum gehe es ihm auch heute bei all seinen Geschichten.
Dass alle seine Protagonisten unglücklich sind und einsam, sei dem Leben selbst geschuldet, sagt der Autor. Und natürlich gehe es dabei auch um Wahrheit. Auf alle Fälle erzählt keiner so verspielt und lustvoll aus unseren traurigen Leben wie Chris Ware.