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Kunst Charmant, belesen, zerrissen: Der Haudegen Corto Maltese

Er ist die Antithese zum muskelbepackten Superhero: Corto Maltese. Die Geschichten rund um den bärbeissigen Seemann verhandeln Existentielles – Leben und Tod und die Fehlbarkeit des Menschen. Sein Erfinder, der italienische Comic-Autor Hugo Pratt, starb dieses Jahr vor 20 Jahren.

Bereits Umberto Eco sagte: «Wenn ich entspannen will, lese ich was von Engels. Wenn ich was wirklich Hartes lesen will, lese ich Corto Maltese.»

Das erste Abenteuer von Corto Maltese

Die Abenteuer des Kapitän Corto Maltese stammen aus der Feder von Hugo Pratt. «Eine Südseeballade» heisst die erste Geschichte und erzählt Folgendes: Es ist November 1913, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Im Südwestpazifik belauern sich die Weltmächte. Ein mysteriöser «Mönch» spielt die Kriegsparteien gegeneinander aus und macht mit ihnen zwielichtige Geschäfte. Manchen behaupten er wäre 200 Jahre alt. Sein Gesicht hat nie jemand gesehen. In seinem Dienst stehen der unberechenbare Rasputin und Corto Maltese, der Kapitän ohne Schiff. Seeräuber, Piraten sind sie! Aber mit unterschiedlicher Moral. Während Rasputin nicht vor Mord zurückschreckt, als sie ein holländisches Schiff kapern, vertritt Corto Maltese das Ideal «Leben und leben lassen».

Comic-Figur mit komplett fiktiver Biografie

Hugo Pratt

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Legende: Keystone

Der Zeichner wurde 1927 in Rimini geboren und starb 1995 in Pully. Heute steht ein Denkmal von Corto Maltese am Genfer See. Pratt lebte in vielen verschiedenen Ländern und verwob seine Erfahrungen in der Figur Corto Malteses.

Die Figur des einsamen raubeinigen Kapitäns Corto Maltese erschuf der italienische Comic-Zeichner Hugo Pratt Ende der 1960er-Jahre. Es sollte seine berühmteste Figur werden. Und die ausgefeilteste. Ausgestattet mir einer kompletten fiktiven Biographie.

So weiss man von Corto Maltese, dass er 1887 in Valetta auf Malta geboren wurde, als Sohn einer Zigeunerin und eines englischen Seemanns. Im Laufe seines Lebens trifft er wichtige Literaten und Personen der Zeitgeschichte, beispielsweise Ernest Hemingway, Jack London oder den osmanischen Kriegsminister Enver Pascha. Er ist ein Antiheld. Ein Philosoph. Ein Mann ohne Verpflichtungen, ein Reisender.

Antithese zum protzigen Superheld

«Eine Südseeballade» ist das erste Abenteuer rund um die Figur Corto Maltese. Es sollten noch rund 30 weitere folgen. Es ist eine klassische Abenteuergeschichte – und doch ist sie besonders. Der zwielichtige, melancholische Corto Maltese ist zentral für die Geschichte. Hugo Pratt zeichnet ihn mit kantigem Gesicht, halbgeschlossenen Lidern. Sehr oft frontal, porträthaft. Den Leser eindringlich anschauend, ja durchschauend?

Maltese war die Antithese zum damals sehr beliebten amerikanischen Superhero. Keine protzigen Muskeln, keine übermächtigen Kräfte. Hugo Pratt, der lange in Südamerika lebte, wollte einen europäischen Helden schaffen: charmant, belesen, zerrissen. Oft starrt Corto Maltese über den Bildrand hinweg in die Weite.

Bei Esoterikern beliebt

Buchhinweis

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Hugo Pratt: «Una ballata del mare salato» (Eine Südseeballade), Sgt. Kirk, 1967.

Der Verlag Schreiber & Leser plant eine Luxusedition in Farbe und ein neues Abenteuer von Corto Maltese.

Aber der wahre Held des 170 Seiten starken Comic-Romans ist das Meer. Die ersten Sätze des Buches spricht der Stille Ozean: «Ich bin der Stille Ozean und ich bin der grösste Ozean. Aber es stimmt nicht, dass ich immer still und friedfertig bin. Heute zum Beispiel habe ich mich gerade beruhigt. Aber gestern, da habe ich auf drei oder vier Inseln alles niedergewalzt und genauso viele Nussschalen, die die Menschen Schiffe nennen, versenkt...»

Pratt schafft Mythen. Das Meer bekommt eine Seele, eine Sprache. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum die Südseeballade bei Esoterikern sehr beliebt ist.

Parabel für das Menschsein

Es ist weniger der Handlungsstrang, der den Leser mitreisst. Es sind vielmehr all jene Szenen, die unwichtig für die Handlung sind, die ohne Text auskommen: die existentiellen Kämpfe zwischen den Menschen und dem Meer, aber auch zwischen Todfeinden. Hier geht es schon lange nicht mehr darum, Schiffe zu kapern und Kohle an die Deutschen zu verkaufen. Hier geht es um den Menschen in all seiner Unvollkommenheit.

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