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Christian Marclay spielt Tinguely
Aus Kultur Extras vom 29.01.2018.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 40 Sekunden.
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Christian Marclay Grenzgänger zwischen Performance und Plattenteller

Christian Marclay bringt Bilder zum Klingen und macht Klänge bildhaft. In Basel erweckte er Skulpturen von Jean Tinguely zu neuem Leben. Porträt des Pop-Poeten mit dem Uhrzeigersinn.

Schnarren, Jaulen und Rasseln erfüllt den grossen Saal im Museum Tinguely. Bohrer heulen, Bleche singen und ein Stück Karton – an einen rotierenden Veloreifen gehalten – summt wie ein Insektenschwarm.

Dazu erzeugen zahlreiche, in Bewegung versetzte Skulpturen von Jean Tinguely ein Schattenspiel auf einer weissen Wand im Hintergrund – fantastisch.

Hören lernen

Christian Marclays «Meta-Concert» – als Teil der Ausstellung «Performance Process» aufgeführt – brachte Kunst und Musik, visuelle und akustische Reize auf beeindruckende Weise in Verbindung. Unterstützt haben den Künstler dabei Okkyung Lee (Cello) und Luc Müller (Percussions).

Christian Marclay ist ein Künstler mit einem unglaublichen Geschick für raffinierte Kompositionen, ein genialer Musiker ohne Instrument. Musik lasse sich mit allem machen, sagt er: «Ich möchte, dass die Menschen zu hören beginnen. Dass sie, wenn sie sich einen Mitternachts-Snack öffnen, auf das Rascheln des Papiers hören.»

Performance und Plattenspieler

1955 in Kalifornien geboren, wuchs Christian Marclay in Genf auf. An der dortigen École Supérieure d’Art Visuel studierte er ab 1975 Bildende Kunst.

1977 ging er in die USA und studierte Bildhauerei am Massachusetts College of Art in Boston. Zwei Jahre später gründete er die Performance-Gruppe «The Bachelors, even» und realisierte erste Stücke mit Platten und Plattenspielern.

Eine weisse Platte mit grünen Zeichnungen liegt auf einem Plattenspieler.
Legende: Platt sieht anders aus: Christian Marclays Plattenkunststück «Gestures». Museum Tinguely

Kunstvolle Klangbilder

Christian Marclay versteht sich nicht nur auf Turntable-Performances und raschelndes Papier. In zahlreichen internationalen Ausstellungen zeigt er, wie Klänge sich in Bilder verwandeln lassen und umgekehrt.

In der Schweiz war er zuletzt 2015 präsent mit der Ausstellung «Action» im Aargauer Kunsthaus. Zu sehen waren knallige Sprachbilder, mit Soundbegriffen aus der Comic-Sprache wie «Blam», «Whram», «Roaarrr».

Kissen aus Tonbändern

Auf intelligente und unglaublich virtuose Weise verbindet Marclay Musik, Kunst und Populärkultur. Er strickt zum Beispiel Kissen aus Tonbändern, auf denen Beatles-Songs gespeichert sind. An den Beatles fasziniert ihn, dass sie am Anfang als gefährlich und böse galten und heute im Supermarkt gespielt werden.

Aber auch die Verbindung der Beatles zur bildenden Kunst hat ihn interessiert. 1969 gestaltete Richard Hamilton das Cover fürs «White Album». 20 Jahre später hat Christian Marclay sich dieses Cover vorgenommen und es weiter bearbeitet. Musik, Popmusik vor allem, ist für Marclay ein wichtiges Medium der Erinnerung und der Kommunikation.

Menschen in Sofas schauen einen Film.
Legende: In Venedig mit den Goldenen Löwen ausgezeichnet: Marclays Videoinstallation «The Clock». Keystone

Rund um die Uhr

Viele Kunstinteressierte schätzen vor allem Marclays Videoarbeiten. Bereits mehrfach in der Schweiz gezeigt wurde «Telephones» . Die 1995 entstandene Arbeit verbindet Filmausschnitte rund ums Telefonieren zu einem nie geführten Gespräch ohne eigentlichen Inhalt.

2011 präsentierte er an der 54. Biennale in Venedig «The Clock», eine Filmcollage für die der Künstler Tausende von Filmausschnitten gesampelt hat, in denen Uhren zu sehen sind.

24 Stunden dauert die Videoarbeit mit Filmschnipseln von 0 Uhr früh bis 24 Uhr nachts. Für «The Clock» wurde Christian Marclay wurde mit dem Goldenen Löwen als bester Künstler ausgezeichnet.

Sinn für Humor

In Basel mit den Skulpturen Tinguelys arbeiten zu können, war für Christian Marclay «ein grosses Privileg». «Tinguley ist einer meiner Kindheitshelden», sagt er.

Bereits 1964 sei er erstmals mit dem Werk Jean Tinguelys in Kontakt gekommen. Besonders schätzt er an diesem grossen Wegbereiter der kinetischen Kunst «seinen Sinn für Humor». Um sein Werk lebendig zu erhalten, sei es wichtig, es immer wieder in Bewegung zu bringen, betont Marclay.

Das sei auch ein Anliegen seiner Performance, für die Tinguely-Skulpturen aus dem Museum Tinguely, aber auch aus anderen Basler Sammlungen zum Einsatz gekommen sind.

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