Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Kunst Das «Rijksmuseum» lässt alte (Bau-) Sünden hinter sich

Königin Beatrix eröffnet das Amsterdamer Reichsmuseum. Endlich. Denn dieses grösste und wichtigste Kunst- und Geschichtsmuseum der Niederlande war in den letzten zehn Jahren geschlossen, weil es einen 375 Millionen Euro teuren Facelift bekam.

Die Amsterdamer Bevölkerung hat ihr «Rijks» wieder. Es dauerte zwar sechs Jahre länger als geplant und kostete einen Drittel mehr als budgetiert das «Rijksmuseum» umzubauen und zu renovieren. Aber dafür bekommen die Kunstliebhaber ein Haus der Superlative zurück.

Im alten und verstaubten Reichsmuseum gelangte man als erstes in eine düstere Halle. Nun werden die Besucher in einem riesigen, mit zwei Glaskuppeln überdeckten Atrium begrüsst, das den Zugang zu den verschiedenen Sälen freigibt. Unter dem Glasdach fällt ein Gitter mit langen, weissen Stangen auf. Dank diesen Verstrebungen hallt es im grosszügig gestalteten Entree nicht. Und weil in den Stäben die Lichtquellen integriert wurden, ist nun die Rede von «modernen Kronleuchtern».

Alte Sünden bereinigt

Um all den Platz zu schaffen, hat das spanische Architektenduo Cruz y Ortis den Eingangsbereich auf die Ostseite des monumentalen Gebäudes verlegt. Im ursprünglichen Bau von Pierre Cuypers gab es hier Ende des 19. Jahrhunderts zwei Innenhöfe. Im Laufe der Zeit waren diese aber durch mehrere unschöne Anbauten in ein finsteres Labyrinth verwandelt worden.

Die Spanier haben noch weitere alte Sünden bereinigt. Die neogotischen Wandmalereien aus 1880, die in der modernen Zeit mit weisser Farbe übertüncht wurden, sind wieder zu sehen. Genauso wie der in den 1920er-Jahren mit Linoleum verschandelte italienische Terrazzo-Flur. Allerdings hat dieser die Malträtierung nicht überlebt. Die Innenausstatter liessen deshalb in Italien einen neuen Fussboden nach altem Muster herstellen.

Nur die Nachtwache hängt an ihrem alten Platz

Aber auch sonst ist im Reichsmuseum mit einer Ausnahme nichts mehr, wie es einmal war. Die Präsentation der 800 Kunstwerke wurde gründlich verändert. Statt thematisch wie bisher, wird in den 80 Sälen nun alles chronologisch gezeigt, so dass Möbel, Fotos, Zeichnungen, Gemälde, Schiffsmodelle oder Porzellan aus der gleichen Periode zusammen im gleichen Ausstellungsraum zu sehen sind. Dank dieser Aufstellung kann die Besucherschar jetzt einen Spaziergang durch 800 Jahre niederländischer Kunst und Geschichte machen, vom Mittelalter bis Mondrian.

Einzig die Nachtwache von Rembrandt van Rijn, dieses monumentale Bild der Amsterdamer Schützengilde aus 1642, hat seinen angestammten Platz behalten. Das Prunkstück hängt (wenn auch ein paar Zentimeter höher) umgeben von Johannes Vermeer, Frans Hals und anderen alten Meistern aus dem 17. Jahrhundert noch immer in der Ehrengalerie, dem Heiligtum im ersten Stock.

Konfliktpotential: Kunst-Liebhaber vs. Kamikaze-Radler

Obwohl das jetzt mit modernsten Mitteln aufs 21. Jahrhundert getrimmte Haus unendlich viel mehr zu bieten hat, wird das Gros der jährlich erwarteten zwei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer zur Hauptsache diesem edlen Raum einen Besuch abstatten – und vor der Nachtwache Schlange stehen.

Noch etwas hat sich nach dem Umbau nicht verändert: Dank der starken Lobby bekommen die Amsterdamer ihren unter dem Museum durchführenden Radweg zurück. Zum grossen Ärger der Architekten und der Museumsdirektion. Da sich der neue Eingang nun in unmittelbarer Nähe des Velotunnels befindet, befürchten sie, dass es Verletzte geben wird bei Kollisionen zwischen Besuchern und den Amsterdamer Kamikaze-Radlern.

Meistgelesene Artikel