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Raubkunst-Objekt in einer Vitrine.
Legende: In Hamburg wird über den Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten dikutiert: Raubkunst-Objekt in einer Vitrine. Keystone

Diskussion über Benin-Bronzen Was macht das Museum Rietberg mit geraubter Kunst aus Nigeria?

Benin City in Nigeria will geraubte Kunstschätze aus Europa zurück. Auch das Museum Rietberg hat drei. Was passiert mit ihnen?

Zu Besuch im Museum Rietberg. Es geht nicht um die aktuelle Ausstellung, sondern um ein heikles Thema: Kunstobjekte, die gestohlen wurden und nun wieder zurückgegeben werden sollen.

Die Meldung sorgte jüngst für Aufsehen: In der nigerianischen Stadt Benin City soll ein Museum entstehen – mit Kunstobjekten, die in der einstigen Kolonie geraubt wurden und nun in europäischen Museen stehen.

Auch das Museum Rietberg in Zürich besitzt einige dieser Werke. Es ist nicht das einzige Schweizer Museum. Zu den Häusern, die ebenfalls «Benin-Bronzen» besitzen, gehören das Museum der Kulturen Basel und das Völkerkundemuseum St. Gallen.

Es geht vor allem um die wertvollen Benin-Bronzen, die eigentlich gar keine sind. «Die ‹Bronzen› sind nicht aus Bronze», erklärt Afrika-Kuratorin Michaela Oberhofer. «Eigentlich sind sie aus Messing.» Es sind Werke, die einst im Palast von Benin City angebracht waren und die Weltsicht des Benin-Reiches zeigten.

Benin-Bronzen? Kennt jedes Kind

Auch Objekte aus anderen Materialien gelten als «Benin-Bronzen»: Werke aus Elfenbein etwa oder Holz-Skulpturen, Gedenkköpfe, entstanden ab dem 13. Jahrhundert. Im heutigen Nigeria kennt sie jedes Kind. Und der Staat will sie zurück.

Rückseite einer Gürtelmaske
Legende: Rückseite einer Gürtelmaske, 17./18. Jh., Nigeria, Königtum Benin, mit der aktuellen Inventarnummer des Museums, 2011.9, sowie der Verkaufsnummer des Händlers William D. Webster, ca. 1900. Museum Rietberg Zürich

Denn über tausend solche «Benin-Bronzen» raubten die britischen Kolonialherren 1897 bei in einer sogenannten Strafexpedition. Zweihundert Objekte landeten so im British Museum, der Rest verstreut in europäischen Museen. Auch im Museum Rietberg. «Wir haben 16 Stücke, die dem Königtum Benin zuzuordnen sind», sagt Michaela Oberhofer.

Nach dem Raub auf dem Kunstmarkt

Das Museum ist derzeit intensiv daran, deren Herkunft zu rekonstruieren und zu klären, ob diese Stücke jetzt in dem Kontext von dieser Strafexpedition zu sehen sind oder nicht. «Bei drei Stücken gibt es erhärteten Verdacht, dass es so ist», sagt Michaela Oberhofer.

Verantwortlich dafür ist die Herkunftsforscherin Esther Tisa. «Es sind drei unterschiedliche Geschichten. Bei der einen haben wir eine Nummer vom britischen Händler William Webster», erklärt sie. «Er war derjenige, der nach der Strafexpedition die meisten Werke auf den Kunstmarkt gegeben hat.»

Leopardenkopf aus Terrakotta, fotografiert von Eckart von Sydow in Benin-City. Aus dem Fotoalbum von Eckart von Sydow.
Legende: Leopardenkopf aus Terrakotta, Werkstatt am Hof von Benin, fotografiert von Eckart von Sydow in Benin-City, 1937. Aus dem Fotoalbum von Eckart von Sydow. Museum Rietberg

Was tun mit diesen Objekten? Seit zehn Jahren gibt es die sogenannte «Benin Dialogue Group», die sich damit beschäftigt. In ihr sitzen Vertreter Nigerias und Experten aus europäischen Häusern wie dem British Museum oder dem Ethnologischen Museum in Berlin.

Das Museum Rietberg allerdings fehlt darin. Weshalb? «Wir glauben nicht, dass wir in diesem Dialog ein Hauptakteur sein müssen», sagt Esther Tisa. Man sei aber im ständigen Austausch.

Von Rückgabe keine Rede

Vor kurzem nun hat die «Benin Dialogue Group» einen Kompromiss geschlossen: Die beteiligten Museen unterstützen die Nigerianer beim Aufbau eines «Benin Royal Museums» fachlich und finanziell. Sie wollen auch geraubte «Benin Bronzen» nach Nigeria geben – als Leihgaben. Von Rückgabe ist allerdings keine Rede. Ein fauler Kompromiss? Nein, meint Michaela Oberhofer.

Der Konservator Thierry Jacot zeigt den Museumsmitarbeitern und Studierenden den Umgang mit den neuen Messgeräten, Fumban, Kamerun
Legende: Kooperationsprojekt des Museums Rietberg mit Fumban in Kamerun: Der Konservator Thierry Jacot zeigt den Museumsmitarbeitern den Umgang mit den neuen Messgeräten. Michaela Oberhofer

«In den Diskussionen mit der Dialog-Gruppe ist das Thema Restitution bewusst ausgeklammert worden», erklärt sie. «Das war in diesem Prozess der Annäherung zwischen den Vertretern Nigerias und den Experten aus Europa sehr wichtig erstmal den nächsten Schritt zu machen und dieses heikle, schwierige Thema der Restitution beiseite zu lassen.»

Das heisse nicht, dass Nigeria nun plötzlich auf die Forderung nach einer Rückgabe verzichte. Es braucht bilaterale Lösungen, die mit jedem Museum einzeln geklärt werden müssen.

Zusammenarbeit mit Afrika

Was heisst das nun für das Museum Rietberg? Werden die drei geraubten Benin-Bronzen künftigen auch im «Benin Royal Museum» zu sehen sein?

«Das ist ein Punkt, den wir prüfen. Das würde für uns diesen aktiven Umgang mit diesem Erbe bedeuten.» Auch die endgültige Rückgabe sei eine Möglichkeit, sagt Michaela Oberhofer. Doch entschieden sei noch nichts.

So oder so: Mit einer allfälligen Rückgabe sei es aber nicht getan. Die kritische Beschäftigung mit der eigenen Sammlung müsse auf verschiedenen Wegen stattfinden – etwa durch langfristige Partnerschaften mit Museen in Afrika.

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