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Dokfilm über Schloss Tarasp «Nos Chastè»: Vom royalen Ski-Märchen zum bitteren Bruch

Über Generationen verwaltete die Familie der Regisseurin Susanna Fanzun das Schloss Tarasp. 2016 wurde das Schloss verkauft, es sollte ein «Gesamtkunstwerk» werden. Im Film «Nos Chastè» erzählt Susanna Fanzun die märchenhafte 1000-jährige Geschichte des Schlosses.

Als 14-jähriger unternimmt Prinz Charles erste Skiversuche in Tarasp. Auf der Wiese unter dem Schloss tastet sich der scheue Prinz von Presse umringt ungelenkig auf seinen Skiern vorwärts. Während sich daneben die Kinder des Schlossverwalters mit Geschrei in den Tiefschnee stürzen und stolz ihre Medaillen von Skirennen in die Kamera zeigen.

Prince Charles auf Skiern im Schnee vor Schlosskulisse
Legende: Das Schloss und der Prinz: Im Januar 1963 unternimmt der heutige Könige Charles (Mitte) vor der Kulisse von Schloss Tarasp erste ungelenke Gehversuche auf Skiern. KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str

Susanna Fanzun wächst als Tochter des Schlossverwalters in einem Engadinerhaus am Fuss des Schlosses auf. Im Winter spielt sie immer wieder mit Prinzessinnen und Prinzen im Schnee. 1925 hatte ihr Grossvater die Schlossverwaltung übernommen. Damals gehört das Schloss der Familie von Hessen und bei Rhein.

Mittelalterliche Burg auf Hügel mit Alpen im Hintergrund.
Legende: Majestätisch thront Schloss Tarasp über dem Unterengadin – und das seit fast 1000 Jahren. IMAGO / alimdi

Die Adligen verbringen nur wenige Tage im Jahr in Tarasp. Zu den Aufgaben des Schlossverwalters gehören Schlossführungen, die Pflege von Park und See und der Unterhalt des Schlosses. Susanna ist fast täglich im Schloss. «Als Mädchen musste ich immer wieder abends ins Schloss hoch, um ein Fenster zu schliessen oder das Licht zu löschen. Gespenster habe ich auch gehört, mehr als einmal.»

Unser Schloss wird verkauft

Die Familie darf den Ort für Geburtstage, Taufen und Sommerfeste nutzen. Susanna Fanzun hat sogar hier geheiratet. Von den Dorfbewohnern wird das Schloss stolz «Nos chastè» genannt, «Unser Schloss». Um so grösser ist der Schock, als 2005 bekannt wird, dass es zum Verkauf steht. Das ist der Moment, in dem Susanna Fanzun die Kamera in die Hand nimmt und anfängt zu filmen.

Fanzun arbeitet als freie Regisseurin. Ihr Film «I Giacometti» über die Familie Giacometti wurde 2023 als erfolgreichster Schweizer Dokumentarfilm ausgezeichnet. Fast 20 Jahre begleitet die Filmemacherin die Geschichte des Schlosses und die Auswirkungen, die die Veränderungen auf ihre Familie haben. So entsteht ein sehr persönlicher Dokumentarfilm, der sein Publikum nicht nur in der Region findet, sondern auch auf internationalen Filmfestivals.

Der Dokfilm ist auch deshalb so interessant, weil 2015 eine überraschende Kehrtwende eintritt: Der Bündner Künstler Not Vital kauft das Schloss, nachdem es elf Jahre lang zum Verkauf stand. Not Vital hat grosse Pläne: Das Schloss Tarasp soll ein Gesamtkunstwerk und eine Kulturattraktion werden.

Älterer Mann mit Hut sitzt an einem Tisch.
Legende: Der «neue» Schlossherr: 2016 kaufte der Künstler Not Vital Schloss Tarasp für 7.9 Millionen Franken, um es «zu einer Kulturattraktion von nationaler und internationaler Bedeutung» zu machen. KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

Not Vital räumt um und aus, hängt alte Bilder ab und neue auf, veranstaltet Kunstausstellungen, Partys und Konzerte. Es gibt wieder fliessendes kaltes und warmes Wasser im ganzen Schloss und eine funktionierende Heizung. Das Schloss lebt.

Doch nicht alle Änderungen stossen bei der Schlossverwalterfamilie Fanzun auf Gegenliebe. Als Not Vital jahrhundertealte Wildkastanienbäume einfach abholzt und ein Teehaus abbricht, um den Blick auf seinen neu gebauten monumentalen Turm freizugeben, eskaliert die Situation. Der Bruder von Susanna, Jon Fanzun, der inzwischen die Verwaltung vom Vater übernommen hatte, kündigt seinen Job nach 28 Jahren als Schlossverwalter.

Der Bruch ist für die ganze Familie nicht einfach. Susanna hält auch dieses Abschiednehmen mit der Kamera fest. Es ist ein langer und schmerzhafter Ablösungsprozess. «Nach dem Rohschnitt habe ich mit meinen Geschwistern den Film gesichtet, und ein zweites Mal, als er fast fertig war. Dann sind wir ins Schlossrestaurant Chastè und haben zusammen zu Mittag gegessen. Das war wie ein Abschiedsritual.»

Kino- und Streaminghinweis

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«Nos Chastè – Die märchenhafte Geschichte des Schloss Tarasp» ist aktuell im Stream auf Play SRF zu sehen.

Am 2. Januar 2026 läuft der Film im Kulturraum Kunsthaus in Glarus und am 18. März 2026 im Kino Odeon in Brugg.

SRF 1, Sternstunde Kunst, 2.11.2025, 12 Uhr

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