Es geht bei den Zweifeln namhafter da-Vinci-Experten nicht um einen Fälschungsverdacht. Erwiesen ist: Der «Salvator Mundi» entstand um 1500 und auf dem Bild befindet sich eine Vorzeichnung von Leonardo da Vinci. Fraglich ist allerdings, ob der Künstler das Bild eigenhändig gemalt hat oder ob es grösstenteils unter Beteiligung der Werkstatt entstand.
Das ist eine typische Frage unserer Zeit. Um 1500 ist Eigenhändigkeit kein Thema. Ganz selbstverständlich arbeiteten damals Künstler ihre Aufträge mit Hilfe ihrer Werkstatt ab. Die Vorstellung, dass ein Maler ganz alleine Bilder malt, ist eine modernere.
Ein eigenhändig gemaltes Bild steigert den Wert
So kommt es heute in schöner Regelmässigkeit zu Fragen, die die Authentizität alter Meister betrifft – nicht nur bei da Vinci. Auch bei seinem Zeitgenossen Hieronymus Bosch wird heftig diskutiert: Gelten Bosch-Bilder als echter «Bosch», auch wenn der Grossteil der Fläche von der Werkstatt bemalt wurde?
Authentizität oder Eigenhändigkeit ist aber nicht nur für die Forschung von Bedeutung. Auch für den Wert der Bilder spielt sie eine grosse Rolle. Nur ein echter da Vinci bringt eine halbe Milliarde. Daraus folgt: Es gibt ein enormes Interesse daran, Bilder als eigenhändig gemalte anzuerkennen.
Auf der Basis von Gewinnbeteiligungen
Alle verdienen daran: Jene, die die Bilder besitzen, jene, die sie verkaufen. Und auch die, die sie kaufen. Hinzu kommen die Experten, die feststellen, ob ein Bild eigenhändig gemalt wurde oder nicht.
Skandalöserweise gibt es nach wie vor Experten, die auf der Basis von Gewinnbeteiligungen arbeiten. Sie haben ein Interesse daran, in ihrer Expertise zum Schluss zu kommen, dass das Bild echt sei, denn dann erzielt es einen höheren Preis. Das ist hochproblematisch und verpönt. Seriöse Experten arbeiten nicht so.
Eine konzertierte PR-Aktion
Klar ist auch: Mit dem «Salvator Mundi» bewegen wir uns in jenem Feld des Kunstmarkts, der von Investoren und ihren Gewinn-Interessen geprägt ist. Dieses Bild wurde seit 2010 viermal verkauft und sein Wert stieg jedes Mal exponentiell: von 10'000 Dollar auf 80 Millionen, dann auf 127,5 Millionen und jetzt auf eine knappe halbe Milliarde Dollar.
Auch die Bildgeschichte erzählt vom selben Gewinninteresse: 2005 entdeckte ein Konsortium von Kunsthändlern das Bild. Man liess es aufwendig restaurieren und schickte es zu namhaften Experten.
2011 galt der «Salvator Mundi» plötzlich als ein da Vinci und nicht mehr als Arbeit eines Schülers. Dann wurde das Bild in der Londoner «National Gallery» als «echter» da Vinci ausgestellt und damit quasi geadelt. Vor dem Verkauf bei Christie’s ging es auf Welttournee. Hinter den Preissprüngen steckt also auch eine konzertierte PR-Aktion, die dieses Bild zur Sensation macht, immer im Dienste der Verkäufer.
Keine exakte Wissenschaft
Die Grundvoraussetzung für diese Art von Wertsteigerungen ist allerdings, dass ein Bild als eigenhändig anerkannt wird. Die Methode dazu ist alles andere als eine exakte Wissenschaft, sie hat viel mehr mit Kennerschaft zu tun.
Die namhaften Experten, die den «Salvator Mundi» für eigenhändig erachteten, sprechen zum Beispiel von eine Art «Präsenz», die eben nur Bilder von da Vinci ausstrahlen. Sie argumentieren mit der Komposition und der Leichtigkeit ihrer Wirkung.
Wirklich vom Meister selbst gemalt?
Andere Experten halten dagegen: Die Qualität des Bildes sei nicht durchgängig hoch, die starken Hell-Dunkel-Kontraste passen nicht zur Datierung um 1500, so habe da Vinci erst später gemalt.
Klar ist: Es geht um ästhetische Urteile, bei denen so etwas Unhinterfragbares wie «das Auge» eine entscheidende Rolle spielt. Überprüfbarer Fakt aber ist: Es kam in den letzten Jahren immer wieder zu Neuzuschreibungen bei Altmeistern. Zum Beispiel Michelangelo oder da Vinci, die hauptsächlich durch Gewinninteressen von Investoren angetrieben wurden.