War Hodler ein Influencer? Oder einer, der es perfekt verstand, auf den Wellen des Zeitgeistes zu surfen? Wahrscheinlich beides. Das zeigt die Ausstellung «Hodler. Ein Vorbild für die Schweizer Kunst» im Musée d'Art et d'Histoire in Neuenburg. Sie präsentiert Ferdinand Hodler, den wohl bekanntesten Künstler der frühen Moderne, im Kreis seiner Freundinnen, Schüler, Nachahmerinnen – aber auch seiner Kritiker und Gegnerinnen.
Mann und Axt sind eins
Fangen wir mit den Freunden und Geistesverwandten an – denn das macht die Ausstellung auch. Sie beginnt mit einem berühmten Hodler-Bild, dem Holzfäller. Das Bild zeigt einen Mann, der seinem Handwerk mit Hingabe nachgeht. Der Mann und seine Axt sind eins.
Die künstlerische Gestaltung mit engem Bildausschnitt, starker Diagonale und symbolischer Überhöhung des Motivs sind typisch Hodler. Das Sujet des arbeitenden Menschen entspricht dem Zeitgeschmack, dem erstarkenden Nationalgefühl.
Man wollte Menschen sehen, die etwas aufbauen, die ihre Heimat pflegen und gestalten. In der Ausstellung hängen im gleichen Saal wie Hodlers Holzfäller ein Käser von Casimir Reymond, ein Bauarbeiter von Charles L'Eplattenier und eine Gruppe von Schnittern auf einem grossformatigen Gemälde von Gustave Jeanneret.
Holzfäller überall
Holder hat mit seinem Holzfäller ein Thema aufgegriffen, das in der Luft lag. Und er hat die Popularität dieses Themas vorangetrieben – beinahe unwillentlich. Geschaffen hatte Hodler das Motiv 1910 im Rahmen eines Wettbewerbs der Schweizer Nationalbank. Für die Verwendung auf den Banknoten wurde das Motiv jedoch deutlich verändert. Das missfiel Hodler und er malte neue Holzfäller – für jede Ausstellung, die er machte.
Hodler war damals bereits ein berühmter Maler und seine Holzfäller wurden breit diskutiert. Das trug auch dazu bei, dass das Motiv des arbeitenden Menschen immer bekannter und beliebter wurde.
Entdeckungen im Depot
Die Ausstellung demonstriert, wie Hodler die Kunst seiner Zeit prägte und dabei auch immer wieder vom Zeitgeist geprägt wurde. An einzelnen Motiven ist zu sehen, wie Hodler und seine Zeitgenossen immer wieder ähnliche Themen bearbeitet haben: den Genfersee, die wilden Blumenwiesen, die symbolistischen Figuren, die geordneten Baumreihen.
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Bild 1 von 4. Sehnsuchtsmotive Genfersee: Ferdinand Hodler verewigt 1917 den Blick auf den See in «Sonnenuntergang am Genfersee von Caux aus». Bildquelle: SIK-ISEA.
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Bild 2 von 4. Marcel d’Eternod tut es ihm 1919 mit seinem «Vue du Léman» zumindest motivbezogen gleich. Bildquelle: Piguet Hôtel des ventes.
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Bild 3 von 4. Eine herbstliche Baumreihe inspirierte Ferdinand Hodler zu «Herbstabend» ... (1894). Bildquelle: MahN/Stefano Iori.
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Bild 4 von 4. ... wie auch seinen Künstlerkollegen Daniel Ihly, der das Sujet 1902 im Werk «La route de Saint-Georges» umsetzte. Bildquelle: MahN/Maciej Czepiel.
Kurator Philippe Clerc und sein Team haben für die Ausstellung sehr viel recherchiert. Sie wollten wissen: Wer waren Hodlers Schüler? Mit wem hatte er Kontakt? Welche Nachahmer gab es? Dabei stiessen die Kunsthistorikerinnen und -historiker auf viele Namen, die heute kaum noch bekannt sind und zahlreiche Werke, die seit Jahrzehnten nicht mehr gezeigt wurden.
Raum für Kritik
Dabei zeigt die Ausstellung nicht nur Werke von Hodler-Freunden und Gleichgesinnten. Es gab auch Kunstschaffende, die sich Hodlers Ästhetik bewusst entgegenstellten – und die kantige Grossstadtbilder anstelle überhöhter Naturdarstellungen malten. Sie erhalten in der Ausstellung einen eigenen Raum.
Zudem wurden drei zeitgenössische Kunstschaffende eingeladen, sich mit Hodler auseinanderzusetzen, darunter David Weishaar. Der Künstler aus Lausanne hat eine geheimnisvolle Figurengruppe in einem stilisierten nächtlichen Garten gemalt. Das Bild antwortet auf Hodler symbolistische Bilder und wirkt gleichzeitig sehr heutig. Die Beschäftigung mit Hodler ist also noch immer anregend.