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Ein Rundgang durch die Ausstellung: Emma Kunz und die Gegenwartskunst
Aus Kultur-Aktualität vom 12.05.2020. Bild: obs/Heinrich Gebert Kulturstiftung Appenzell
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Emma Kunz Eine Visionärin mit Pendel und Lineal

Emma Kunz war Heilerin, Forscherin und galt lange als Aussenseiterin in der Kunstszene. Ihre Zeichnungen hypnotisieren und finden heute mehr Anklang denn je.

Wenn man die Ausstellung zu Emma Kunz in der Appenzeller Ziegelhütte betritt, fühlt man sich als würde man durchs Weltall schweben. Der Ringofen der ehemaligen Ziegelhütte wurde in einen akustischen Parcours durchs Universum verwandelt.

In den Tonnengewölben sind Lautsprecher angebracht, aus denen es summt und brummt und sirrt. Diese Planeten-Sounds basieren auf Aufnahmen der NASA: Die US-amerikanische Weltraumbehörde registriert die elektromagnetischen Felder der Planeten unseres Sonnensystems.

Keine Künstlerin, sondern Wissenschaftlerin

Das Weltall ins Appenzell gebracht, hat die Schweizer Künstlerin Roswitha Gobbo. Sie hat den akustischen Parcours durchs Universum geschaffen – eine perfekte Ergänzung zu den Werken von Emma Kunz.

eine Zeichnung einer farbigen geometrischen Form
Legende: Kunz lotete mit dem Pendel ihre Zeichenfläche aus und verband die Punkte mit Farbstift und Kreide. So entstanden ihre geometrischen Kunstwerke. Emma Kunz Zentrum, Würenlos

Auch Emma Kunz strebte wissensmässig hoch hinaus. So erklärt Kunsthallen-Direktor Roland Scotti: «Emma Kunz verstand sich eindeutig nicht als Künstlerin. In ihren Augen war sie Wissenschaftlerin.»

Emma Kunz’ Zeichnungen erinnern an Sterne oder komplexe geometrische Figuren. Sie basieren auf Energiefeldern, die sie mit dem Pendel und mathematischen Berechnungen bestimmte.

Manchmal hat Kunz am Rand der Zeichnungen Zahlen notiert. Trotzdem bleiben ihre Berechnungen geheimnisvoll.

eine schwarz-weiss Fotografie einer Frau mit Linie am Tisch
Legende: Eine Frau, ein Lineal und unendlich viele geometrische Formen: Emma Kunz vor ihrem Arbeitstisch, 1953. Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, Fotograf: Werner Schoch

Kunz' Zeichnungen waren Teil ihrer Forschung: «Ihre Zeichnungen sind als Diagramme möglicher Welten gedacht, welche Antworten auf ungeklärte Fragen geben», sagt Scotti.

Kunst verschmilzt mit Wissenschaft

Die Idee, dass Kunst sich mit Forschung verknüpfen lässt und sie dabei einen grösseren Spielraum beanspruchen darf als die klassischen Naturwissenschaften, ist heute weit verbreitet. Die Ausstellung zeigt einige Positionen der sogenannten künstlerischen Forschung.

George Steinmann zum Beispiel. Der Berner Künstler arbeitet seit vielen Jahren als eine Art Vermittler zwischen Kunst und den Naturwissenschaften, Politik und Philosophie, Ökonomie und Ökologie.

ein Tisch mit etlichen Fläschchen und Steinen und Tinkturen drauf
Legende: Im Labor von George Steinmann in der Kunsthalle Ziegelhütte verschmelzen Kunst und Wissenschaft. Urs Baumann

In Appenzell hat er eine Tischinstallation aufgebaut, die eine Art Laborsituation zeigt: Zahlreiche Gläser und Flaschen, Töpfe und Tiegel mit etlichen Flüssigkeiten und Substanzen, die er gesammelt, beschrieben, konserviert, verglichen, erprobt hat.

In dieser Arbeit lebt die Vorstellung vom Künstler als Alchimisten auf, der experimentierend und beschreibend, manchmal aber auch rein intuitiv der Welt auf den Zahn fühlt.

Kunst verändert die Natur

Das Zürcher Künstlerduo huber.huber reagiert fragend auf Emma Kunz und ihr berühmtes Experiment der «polarisierten Ringelblume». Emma Kunz hatte Ringelblumen durch magnetische Kräfte dazu gebracht, zu mutieren und an einem Stängel mehrere Blüten auszubilden.

ein Raum mit einem Gemälde einer Blume an der Wand
Legende: Eine mutierte Ringelblume: Die Brüder Huber zeigen eine durch den Forschertrieb veränderte Natur. Urs Baumann

Die Brüder Reto und Markus Huber haben diese Blumen gemalt, um zu fragen: «Wie verändert Wissenschaft Natur?», erläutert Scotti.

Nicht alle Arbeiten der Ausstellung sind so direkt und eindeutig auf Emma Kunz gemünzt. Die französische Künstlerin Agnès Geoffray zeigt in einer Diashow verschiedene Gesten der Hände.

eine schwarz-weiss Fotografie von zwei Händen
Legende: Gibt es Zeichensprachen, die universal verständlich sind? Choreography I Agnès Geoffray

Einige sind als Teil der Gebärdensprache oder auch als Gesten aus Kunstwerken erkennbar. «Es geht nicht darum, wirklich über einen Inhalt zu kommunizieren, sondern es als Mitteilung anzunehmen, deren Gehalt man letztendlich nicht vollständig entziffern kann. Man könnte den Inhalt aber intuitiv, von Seele zu Seele, verstehen», so Kurator Scotti.

Das gilt auch für Emma Kunz und ihren halb intuitiven, halb rationalen Zugang zur Welt.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Zahl, Rhythmus, Wandlung – Emma Kunz und Gegenwartskunst» würdigt erstmals das zeichnerische Werk der Schweizer Künstlerin Emma Kunz (1892-1963) in der Kulturlandschaft Appenzellerland, in der sie seit 1951 bis zu ihrem Tod lebte und arbeitete.

In der Kunsthalle Ziegelhütte Appenzell sind Zeichnungen von Emma Kunz im Dialog mit Werken zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstlern noch bis Anfang Januar 2021 zu sehen.

Sendung: Radio SRF 2, Kultur aktuell, 12.5.2020, 17.10 Uhr

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