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«Entartete» Kunst in Basel Diese Bilder wären ohne die Nazis nie in Basel gelandet

Mit der Ausstellung «Zerrissene Moderne» setzt sich das Basler Kunstmuseum mit der eigenen Vergangenheit auseinander. Das weist auch in die Zukunft.

Manchmal muss es schnell gehen. Per Telegramm bietet der Basler Museumsdirektor Georg Schmidt dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt am 10. Mai 1939 6000 Franken für Franz Marcs Bild «Tierschicksale».

Für 6900 Franken kauft er es schliesslich. Wie auch 20 weitere Meisterwerke der europäischen Moderne von Marc Chagall, Lovis Corinth oder Oskar Kokoschka.

Franz Marcs «Tierschicksale» zeigt ein blaues Rehkitz inmitten vieler Farbstriche.
Legende: Franz Marcs «Tierschicksale» hing bis zum 31.8.1937 im Städtischen Museum in Halle. Hildebrand Gurlitt verkaufte es 1939 als Kunsthändler für das NS-Regime an das Basler Kunstmuseum. Kunstmuseum Basel/Jonas Hänggi

Alle diese Werke tragen massgeblich zur heutigen Bedeutung der Basler Sammlung bei. Für bescheidene 50'000 Franken vermag Schmidt mit den Zuwächsen die Lücken der Sammlung im Bereich der Moderne auf einen Schlag zu füllen.

Geld für «entartete» Kunstwerke

Diese Werke stammten aus deutschen Museen. Die Nationalsozialisten hatten 1937 in einer gigantischen Aktion ihre öffentlichen Sammlungen zensiert und alles beschlagnahmt, was zu modern erschien.

Rund 21'000 Kunstwerke wurden als «entartet» beschlagnahmt. Rund 4000 dieser Werke wurden als «verwertbar» eingeschätzt und sollten gegen Devisen ins Ausland verkauft werden. Einer der vier Kunsthändler, die damit beauftragt wurden, war Hildebrand Gurlitt.

Zwei Männer stehen neben einem Gemälde mit 3 Männer, der in der Mitte ist in Ketten.
Legende: Bevor Lovis Corinths «Ecce Homo» in der Basler Sammlung landete, wurde das Bild auf Schloss Schönhausen bei Berlin als «verwertbar» aufbewahrt. Man hoffe, «mit dem Mist noch Geld zu verdienen», so NS-Propagandaminister Joseph Goebbels nach der Beschlagnahmung vieler Kunstwerke. Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv

Anders als für NS-verfolgungsbedingte Entzüge gibt es für die beschlagnahmten und «entarteten» Werke keine Rückgabe-Forderungen der deutschen Museen. Denn der deutsche Staat schädigte sich hier selbst.

Vergessene Generation

Die Ausstellung «Zerrissene Moderne» zeigt die Hintergründe des Basler Kaufs und reflektiert, wie die Basler Sammlung vom NS-Regime profitierte. Denn ohne Nationalsozialismus wären diese Werke nicht in Basel gelandet.

Die Ausstellung liefert aber auch Einblicke in zahlreiche weitere Aspekte: Sie beleuchtet etwa die Entstehung der NS-Kulturpolitik und zeigt, wo sie bis heute nachwirkt.

Portrait von Georg Schmid
Legende: Von 1939 bis 1961 war Georg Schmidt Direktor des Basler Kunstmuseums. Er setzte sich unter anderem für den Ankauf sogenannt «entarteter» Werke ein. Nachlass Georg Schmidt, Kunstmuseum Basel

Ins Ausland verkauft wurden nach 1937 ausschliesslich jene Kunstwerke, die bekannte Künstlerinnen und Künstler geschaffen hatten. Ihre geretteten Werke wurden weiter rezipiert.

Eine ganze Generation deutscher Talente aber, die sich international noch keinen Namen gemacht hatten, ging durch Beschlagnahmung und Zerstörung vergessen. Bei den «nicht verwertbaren» Werken hatte die NS-Kunstpolitik Erfolg, ihre Konsequenzen wirken bis heute nach.

Zerstörung von Kunst bleibt aktuell

Die Basler Ausstellung versucht einige dieser vergessenen Künstlerinnen und Künstler zu repräsentieren. Beeindruckende Entdeckungen sind etwa das sachliche «Liebespaar vor Dresden» von Conrad Felixmüller, Franz Franks Riesenbild der «Arbeitslosen», die Statue einer Tänzerin von Marg Moll oder Anita Clara Rées «Weisse Nussbäume».

«Weisse Nussbäume» von Anita Clara Rée zeigt ein Haus inmitten von kahlen, weissen Bäumen.
Legende: Max Liebermann erkannte ihr Talent: Anita Clara Rée machte in den 1920er-Jahren als Künstlerin Karriere. Ab 1930 wurde sie von der NSDAP als Jüdin verfolgt. 1933 beging die herausragende Vertreterin der «Neuen Sachlichkeit» Suizid. bpk/Elke Walford

Die Basler Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte weist bis in die Gegenwart. Auch, weil Unterdrückung, ideologische Vereinnahmung und Zerstörung von Kunst nach wie vor aktuell sind. Der aktuelle Basler Museumsdirektor Josef Helfenstein betont: «Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine wird klar: Diese erschreckenden Dinge sind nicht passé, sie passieren noch heute.»

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung « Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe ‹entarteter› Kunst » läuft vom 22.10.2022 bis 19.02.3023 im Kunstmuseum

Eine weitere Schau widmet sich Kunstwerken, die ohne NS-Regime nicht in Basel gelandet wären: « Der Sammler Curt Glaser. Vom Verfechter der Moderne zum Verfolgten » ist vom 22.10.2022 bis 12.02.2023 im Kunstmuseum Basel zu sehen. Die Ausstellung erinnert an den jüdischen Kunstkenner, der 1933 als Verfolgter grosse Teile seiner Sammlung verkaufen musste. 200 Werke kaufte damals das Kunstmuseum Basel.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 20.10.2022, 17:10 Uhr

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