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Die Wirkmacht der Kunst – Das Festival Belluard in Fribourg
Aus Kultur-Aktualität vom 02.07.2019. Bild: ZVG
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Festival Belluard Widerhaken für unsere Wohlfühloase

Mit Flüchtlingen in eine fiktive Ausstellung über den Krieg? Ein Festival in Freiburg testet Wert und Wirkung der Kunst.

Das Bollwerk in Freiburg im Üechtland ist eine mittelalterliche Festung – und der ideale Ort für «all inclusive». In dem Theaterstück des Deutschen Künstlers Julian Hetzel führt eine Frau eine Gruppe Leute mit Fluchthintergund durch eine fiktive Ausstellung. Zu sehen sind Objekte aus dem Krieg – aus Syrien.

Die Verlogenheit der Kunstwelt

«Darf man das?» fragt Julian Hetzel. Und der Künstler gibt die Antwort gleich selbst. «Wie verlogen ist die Kunstwelt, in der man die Wirklichkeit ausschlachtet, um einen netten Abend zu haben?»

Eine Frau auf einer Bühne in einem blutverschmierten Kleid steht neben einem blutroten Bild.
Legende: Auch eine Reflexion über den Kunstbetrieb: Julian Hetzels Theaterstück «all inclusive». SRF / Patrick Mülhauser

Für Julian Hetzel ist die Reflexion über die Mechanismen des Kulturbetriebs wichtig – zumal er als Künstler gutes Geld damit verdient.

«Was ist mehr wert», fragt sich Hetzel, «die Freiheit der Kunst und meine Freiheit als Künstler? Oder zählt die Souveränität derjenigen mehr, deren Geschichten zu Kunst verarbeitet werden und sich dann als Teil dieser Maschinerie wiederfinden?»

Der Druck der Bürokratie

In diesem Sinne ist auch das Belluard Bollwerk Festival International Teil dieser Kunst-Maschinerie. Ein kleines Festival, das auch selbstkritisch ist. Doch mit seinem vielfältigen Angebot aus Tanz, Theater und Musik will es beim Publikum eine Wirkung erzielen.

Leider werde die künstlerische Freiheit zusehends beschnitten, erklärt Festivaldirektorin Anja Dirks. Subventionen würden vermehrt an Bedingungen geknüpft. So werde etwa kulturelle Teilhabe für alle verlangt.

Eine schwarz gekleidete Frau mit dunkler Brille.
Legende: Will Wirkung erzielen: die abtretende Festivaldirektorin Anja Dirks SRF / Patrick Mülhauser

Eine gefährliche Tendenz, findet Anja Dirks. Wenn man versuche, Kunst in bürokratische Kriterien zu pressen, kriege man am Schluss die entsprechende Kunst.

Kleines Festival, grosse Wirkung

Welche Wirkung hat ein Festival mit gerade mal 3000 zahlenden Besucherinnen und Besuchern überhaupt? Solche Zahlen seien relativ, findet die Festivaldirektorin.

«Wenn 10'000 Leute etwas gesehen haben, das sie nächste Woche vergessen haben, und 100 Leute etwas gesehen haben, das sie in zehn Jahren noch wissen – dann kann man sich fragen, was den grösseren Impact hatte.»

Wovon sie in Aleppo träumen

Das Belluard Bollwerk Festival will dem Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wie im Stück «Aleppo», für das syrische Künstler zehn Leute aus dieser kriegsversehrten Stadt nach deren Lieblingsort befragten.

Ein Mann steht vor einer grossen Wandkarte.
Legende: Das Stück «Aleppo. A Portrait of Absence» erzählt die Geschichten von zehn Menschen. SRF / Patrick Mülhauser

Ein Tonband läuft. Man hört einen Mann, der von einer Terrasse eines Restaurants erzählt. Nach und nach schlüpft ein Freiburger Künstler in die Rolle dieses Mannes. Er ist alleine an einem Tisch – ihm gegenüber sitzt ein einziger Besucher.

Der Schauspieler als Sprachrohr

Im Raum stehen zehn solcher Tische, an jedem sitzen eine Zuschauerin und ein Schauspieler. Die Situation ist intim – für den Besucher wie auch für den Schauspieler Michel Lavoix. Er verkörpert einen echten Menschen, der etwas erzählt, das ihm wichtig war. Er habe dadurch den Eindruck, dass seine Kunst etwas nützt, dass er zum Sprachrohr für jemanden wird.

Mit dem Gefühl, etwas bewirkt zu haben, dürfte wohl auch Direktorin Anja Dirks Ende Woche nach fünf Jahren das Belluard Bollwerk Festival verlassen. Sie wechselt nach fünf Jahren als geschäftsführende Dramaturgin ans Basler Schauspiel.

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