Ein Mann steht vor dem verschneiten Eingang der Psychiatrischen Klinik Burghölzli in Zürich. Er reckt den Kopf und blickt gegen den Himmel. Fast sieht es aus, als wolle der Mann über den massiven Eisenzaun hinwegblicken, der die Anstalt einrahmt.
Unweigerlich bekommt man den Eindruck des Eingeschlossen-Seins. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1971. Entstanden ist sie kurz vor dem Brand in der Klinik, bei dem 28 Patientin ihr Leben verloren.
Alltag, ungeschönt
Festgehalten hat diesen Moment der Fotograf und ausgebildeter Psychiatrie Pfleger Willi Keller. Es ist eines von vielen Bilder, wie man sie aus dem Psychiatrie-Alltag so noch nie gesehen hat in der Schweiz.
Es sei ein einzigartiger, intimer Einblick, sagt Museumsdirektorin Monika Jagfeld:«Historische Fotografien aus Psychiatrien zu dieser Zeit sind sonst meist gestellt.»
Personen seien gruppiert, hingesetzt, hingestellt worden. «Man hat schon damals eigentlich eine Werbefotografie gemacht»
, so Jagfeld.
Ein Patient hinter der Kamera
Während die Fotos von Keller eher dokumentarischen Charakter haben, halten die ebenfalls ausgestellten Fotos von Roland Schneider den Moment fest. Der bekannte Schweizer Industrie-Fotograf war in den 1980er-Jahren selber Patient in der Psychiatrischen Klinik Solothurn.
Ein Foto fällt beim Rundgang durch die Ausstellung besonders auf: ein Mann, der sein Gesicht verdeckt und zwischen den Fingern hindurchschaut.
Es vermittelt den Ausdruck von Angst, von Eingeengt-Sein und zeigt einen Menschen, der versucht, sich zu schützen.
Blick ins Jetzt
Eine Gemeinsamkeit verbindet die Fotos von Willi Keller und Roland Schneider: Sie zeigen eine entindividualisierte Medizin, mit Betten gefüllten Schlafsäle und Reihen von sanitären Anlagen.
Den Fotos gegenübergestellt ist eine zweite Ausstellung «Living Museum» über den heutigen Alltag in der Psychiatrischen Klinik in Wil. Den Foto-Porträts von Patienten stehen Patientinnen als Bildschaffende gegenüber.
So sieht man beispielsweise ein Sofa, bedeckt mit Notizzettel voller Wünsche.
«Wir wollten nicht bei der vergangenen Zeit stehen bleiben. Psychiatrie heute ist etwas komplett anderes als damals», sagt Museumsdirektorin Monika Jagfeld. Es war ihr wichtig, dass die beiden Ausstellungen miteinander in Dialog treten.