Lydia ist 83, sieht aber viel jünger aus. Vielleicht, weil sie sich kaum Gedanken über das Älterwerden macht: «In dem Augenblick, in dem ich Zeit habe darüber nachzudenken, werde ich wissen, dass ich stehen geblieben bin», sagt sie.
Lydia ist eine der Frauen, die die Amsterdamer Fotografin Denise Boomkens in ihrem Buch «In voller Blüte» porträtiert hat. Zu jedem Foto gibt es ein Statement über die Kunst des guten Älterwerdens.
Vorbilder für gelassenes Altern
«Wenn du älter wirst, bist du an einem Punkt, wo du dich nicht mehr beweisen musst. Das ist ein grossartiges Gefühl» sagt Boomkens im Interview. Selbst war sie lange Model und hat in der Branche als Fotografin gearbeitet.
Mit 40 Jahren kam eine Krise: Da begann Boomkens, Vorgaben und Werte der Branche zu hinterfragen. Heute möchte sie die positiven Seiten des Älterwerdens beleuchten.
Die Menschen in Mitteleuropa werden immer älter, und dies häufig bei hoher Lebensqualität. Die Glücksforschung stellt fest: viele sind mit 70 Jahren ähnlich glücklich wie mit 17. Doch für Boomkens mangelt es an Vorbildern, die zeigen, wie man gut, glücklich und gelassen altern kann.
Authentisch statt oberflächlich schön
2018 hat Boomkens ihr Projekt auf Instagram gestartet. Auf dem Kanal «And.Bloom» zeigt sie ältere Frauen, die ihren eigenen Stil pflegen. Da, wo der Jugendkult gepflegt wird und Bilder auf perfekte Glätte gefiltert werden, zeigt sie Bilder von strahlenden alten Menschen. Sie will werben für eine Schönheit, die weniger angestrengt ist. Eine, die sich aus Authentizität und Lässigkeit speist. Nun ist ein Fotobuch daraus entstanden.
Viele der porträtierten Frauen sind weit über 70. Auch eine Hundertjährige ist dabei. Doch Denise Boomkens traf auch Frauen ab 40. Die weite Altersspanne erklärt sie so: «Zwischen 40 und 50 haben viele den Punkt erreicht, wo sie sich weniger vom Urteil anderer abhängig machen. Das ist wunderbar. Damit beginnt Freiheit. Das Äussere ist nicht mehr so wichtig, und man beginnt, wirklich sich selbst zu werden».
Der gut alternde Mann ist ein Mythos
Der Reiz des Projekts liegt weniger in umwerfenden Fotos. Er liegt in der Überzeugung, dass das Alter zu feiern statt zu fürchten sei. Doch wieso nur Frauen, wo Männer sich ebenfalls mit einem Anti-Aging-Diktat herumschlagen?
«Es gibt diesen Mythos, dass Männer besser altern als Frauen. Manchmal stimmt es, in vielen Fällen aber nicht. Daher haben wir es hier mit Diskriminierung zu tun», erzählt Boomkens. Es wäre also konsequent, wenn sie das Thema Alter nicht nur anhand von Frauen verhandeln würde. Vielleicht trifft sie sich bald auch mal mit alternden Männern zum Fototermin.