SRF: Sie können auf 40 Jahre Fotokunst und Fotoreportage zurückschauen. Dabei haben Sie oft politische Themen von weitreichender Relevanz aufgegriffen und sie über Jahre verfolgt. Zum Beispiel haben Sie sich schon früh mit dem Klimaerwärmung beschäftigt – wie kamen Sie auf das Thema?
Daniel Schwartz: Ich versuche, an den Geschichten zu arbeiten, bevor sie in den Medien sind. Ich will vor der Katastrophe da sein – und dann nachher wieder. Als der Klimawandel anfangs der 90er-Jahren ein Thema wurde, ging ich nach Bangladesch, recherchierte in der Deltaregion.
Diese Fotos dokumentierten früh die Folgen der Klimaerwärmung.
Ja, mein Buch «Delta. The perils, profits and politics of water in South and Southeast Asia» wurde auch als Sachbuch wahrgenommen. Es zeigt, dass die Klimaerwärmung stattfindet, dass sie auch anthropogen verursacht ist.
Die Bilder zeigen eine Dringlichkeit. Die Politik ist sehr resistent gegenüber Veränderungen. Sie denkt und agiert in Legislaturperioden. Deshalb habe ich die Kunst in die Pflicht genommen.
Wie meinen Sie das?
Kunst ist ein Medium, das immer auch politisch war. Sie ist nicht ein Spiegel meiner persönlichen Wirklichkeit. Sondern ein Mittel um politisch relevante Themen einem grösseren Publikum zu vermitteln. So wie der Journalismus.
Ist das Ihr Kunstverständnis?
Meine persönliche Forderung an die Kunst ist, dass sie sich auch um politisch relevante Themen zu kümmern hat. Die meisten meiner Arbeiten sind aus dem Journalismus heraus gewachsen. Am Ende zeigt sie aber auch das Museum.
Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit bewirken?
Ich mute mir nicht zu, die Welt zu verändern. Aber wenn ich schon das Privileg habe, in diese Länder und Krisengebiete zu reisen, dann will ich auch etwas erzählen, mein Publikum sensibilisieren. Dank den Reportagen und Büchern kann ich das auch.
Meine Bilder sollen nachhaltig wirken und eine Erkenntnis vermitteln.
Sensibilisieren, wie zum Beispiel für den Klimawandel?
Ja genau. Das Buch über die Delta-Regionen Asiens bezeichnete die Financial Times als visuelles «J’accuse». Das war das grösste Lob, das ich je erhalten habe. Es hat mich sehr motiviert. Jetzt, 20 Jahre später, dokumentiere ich das Verschwinden der Gletscher.
Sie haben eine spezielle Arbeitsweise: Sie bereiten sich minutiös vor und arbeiten in langen Zyklen. Woher kommt das?
Ich muss wissen, was ich fotografiere. Wie ich es fotografiere, ist abhängig von der Situation. Wenn ich mich vorher informiere, dann weiss ich in der Situation besser, auf was ich reagieren muss. Der langfristige Ansatz ist essentiell für meine Arbeit. Meine Bilder sollen nachhaltig wirken und eine Erkenntnis vermitteln.
Nach der Chinesischen Mauer, den Taliban, dem Klimawandel, welches ist das nächste grosse Thema?
Noch ist kein neues, grosses Thema festgelegt. Ich werde sicher noch weitere Gletscher besuchen. Vielleicht werde ich die Arbeit über das Geld weiterführen. Das Verschwinden des Haptischen und des Sichtbaren, das interessiert mich.
Das Gespräch führte Denise Chervet.