Auf den Fotografien von Levon Biss wirkt sogar eine Schmeissfliege unwiderstehlich schön.
Der britische Sportfotograf begann eines Tages Insekten zu fotografieren. Seinen präzisen und ästhetischen Super-Makroaufnahmen von Motten und Fliegen begeistern heute Naturwissenschaftler und Fotointeressierte. Das Neue Museum Biel zeigt die Bilder des britischen Fotografen erstmals in der Schweiz.
Ins rechte Licht gerückt
Eigentlich ist Levon Biss ein erfolgreicher Promifotograf. Seine Porträts von Persönlichkeiten aus Showbusiness und Sport erscheinen in auflagenstarken englischsprachigen Zeitschriften wie dem «Time»-Magazin.
Bekannt wurde er durch seine ausgefeilte Beleuchtung. Die verwendet er auch bei einem Projekt, das ursprünglich als Freizeitbeschäftigung im häuslichen Rahmen gedacht war.
Levon Biss, beruflich viel unterwegs, suchte nach einem Fotoprojekt, das sich ohne grossen räumlichen Aufwand umsetzen liess. Als sein Sohn wiederholt Käfer und anderes Kleingetier aus dem Garten anschleppte, packte den Fotografen der Ehrgeiz: Wie wäre es, diese winzigen Lebewesen fotografisch abzubilden, mit optimaler Beleuchtung und technischer Finesse alle organischen Feinheiten der Tiere zu zeigen?
8000 Detailaufnahmen für ein Bild
Levon Biss begann Fliegen, Bienen, Motten in einem aufwändigen Verfahren zu fotografieren. Er arbeitet mit einem 200 Millimeter Makro-Objektiv. Davor setzt er zusätzlich eine Mikroskop-Linse.
In Mikrometerschritten tastet er in unzähligen Aufnahmen den Insektenkörper ab, reguliert dabei immer wieder die Beleuchtung. Am Ende setzt er aus 8000 bis 10000 Detailaufnahmen ein Insektenbild zusammen.
Die Schönheit des Ungeziefers
Mit dieser fotografischen Tüftelarbeit gelang es Biss, den oft als lästig empfundenen Kleinlebewesen eine ungeahnte Schönheit zu entlocken. Die 2 x 3 Meter grossen Fotografien begeistern vor allem auch Naturwissenschaftler wie James Hogan, der die Insektensammlung des Naturhistorischen Museum der Universität Oxford leitet.
Levon Biss zeigte Hogan seine Bilder. Der Insektenkundler war fasziniert von den präzisen Aufnahmen, die Details zeigen, von denen auch Wissenschaftler bisher keine Vorstellung hatten.
Vom Fotostudio ins Museum
So geben sie Hinweise auf die Struktur von Käferpanzern, die in der extremen Vergrösserung nicht mehr glatt und hart erscheinen, sondern schuppig oder sogar pelzig.
Durch den Kontakt mit Hogan erhielt Levon Biss Zugang zu den Insekten der Oxforder Sammlung. Die Aufnahmen, die er von chinesischen Schildkäfern und brasilianischen Graurüsseln machte, präsentierte Biss in einer ersten Ausstellung im Naturhistorischen Museum der Universität.
Kunst als Verwandte der Biologie
Die Fotografien von Biss verbinden wissenschaftliche Präzision mit einem Höchstmass an Ästhetik. Sie erinnern daran, dass es in der Geschichte der Naturwissenschaften oft gestalterischer Fähigkeiten und eines Auges für scheinbar unscheinbare Dinge brauchte, um naturkundliche Entdeckungen und Erkenntnisse sichtbar zu machen.
Die mit ausgefeilter Technik und Beleuchtung inszenierten Käfer und Fliegen von Biss wirken wie ein technisch raffiniertes Echo auf die Radierungen des Zoologen Ernst Haeckel, der mit seinen Darstellungen von Quallen und Strahlentierchen zahlreiche Jugendstil-Künstler beeinflusste und davon ausging, dass Kunst und Biologie in Wahrheit enge Verwandte seien.
Sendung: Radio SRF 2, Kultur kompakt, 21.02.2017, 17:15 Uhr