Gerhard Richter malte schon gegenständlich, als alle anderen auf dem Weg in die Abstraktion oder ins Konzeptuelle waren. Längst gilt der deutsche Maler als einer der bedeutenden Künstler der Gegenwart.
Jetzt widmet das Kunsthaus Zürich Gerhard Richter eine Ausstellung. Genauer: seinen Landschaften.
Von weitem, wie Fotos: Gerhard Richters Landschaften
Kunst der Stadtflucht
Landschaftsmalerei klingt nach 19. Jahrhundert. Das kommt nicht von ungefähr. Das 19. Jahrhundert entdeckte die Landschaft in den Künsten neu – in einer Gegenbewegung zu Industrialisierung und Verstädterung.
Richter entdeckte die Landschaft als Sujet als er 1961 aus der DDR in den Westen floh. Er hatte bereits in Dresden studiert, und war in Ostdeutschland ein anerkannter Künstler.
In der BRD begann er noch einmal von vorn und schrieb sich an der Kunstakademie Düsseldorf ein.
Während um ihn herum die bundesdeutsche Kunstszene nach neuen abstrakten oder konzeptuellen Ausdrucksformen suchte, griff Richter zu Pinsel und Ölfarbe und malte. Landschaften wurden ein grosses Thema für ihn.
Sehnsucht und Ironie
Mit seiner Rückbesinnung auf die Landschaften der Romantiker habe Richter sich bewusst von seinen Zeitgenossen abgesetzt, sagt Cathérine Hug, die Co-Kuratorin der Ausstellung im Kunsthaus Zürich.
Gerhard Richters Interesse an den Romantikern ist deutlich sichtbar an Bildern, die das Bergpanorama bei Davos zeigen oder einen Blick auf den Vesuv. Das 1981 entstandene Bild «Eis» mit seinen schroffen, im Wasser schwimmenden Eisschollen erinnert an Caspar David Friedrichs Eismeer.
Die Unschärfe, die zu einem Markenzeichen Richters geworden ist, betont das Ungefähre und nährt die Sehnsucht. Ein Versprechen von Transparenz schwingt mit.
Ein Versprechen, das Richter allerdings stets offen lasse, wie Kuratorin Cathérine Hug sagt. «Richter bricht die Erwartungen des Publikums mit Ironie. Ganz deutlich wird das im Bild ‹Ruhrtalbrücke›, wo sich eine Autobahnbrücke quer durchs Bild zieht.»
Blick über die Schulter
Die Romantiker würden sich vermutlich die Augen reiben, könnten sie diesen Maler-Nachfahren sehen, der den träumerisch verhangenen Blick zum weiten Horizont mit einer Autobahn-Brücke durchschneidet.
Besucherinnen und Besucher der Ausstellung werden vielleicht die leichte Hand bewundern, mit der Richter weite Ferne und kühne Brücke auf die Leinwand bringt. Und sie dürfen ihm dabei auch über die Schulter blicken. Ein Ausschnitt aus einem Dokumentarfilm macht’s möglich.
St. Gallen im Farbgewitter
Das Thema Landschaft beschäftigte nicht nur den jungen Künstler, es zieht sich durch Richters Lebenswerk. Die Ausstellung zieht da mit und zeichnet Richters wechselnden Umgang mit dem Sujet nach.
Sie zeigt abstrahierte Landschaften. Bilder, mit denen Richter auslotet, wie weit er in der Abstrahierung gehen kann, so dass am Ende dennoch Landschaften zu erkennen sind. Und er kann sehr weit gehen.
Er malt Parklandschaften, die aus der Distanz wie grüne Oasen wirken und beim Näherkommen in abstrakte Flächen und Striche zerfallen. Er malt ein graues «Seestück», das man monochrom nennen könnte – wären da nicht die starken Pinselspuren, die an Wind und Wellen denken lassen.
Gerhard Richters Abstraktionen
Er malt eine Ansicht der Stadt St. Gallen – ein fast sieben Meter breites Farbgewitter, das aussieht, als habe er die Stadt aus einem rasenden Wagen betrachtet.
Über den Wolken
Richters Landschaften sind Gedankenlandschaften. Und Ideenlandschaften. Das gilt vor allem für die fiktionalen Konstruktionen bei denen sowohl der Himmel wie auch das Meer aus Wolken bestehen oder aus bewegtem Wasser.
Man sieht die Bilder, weiss, das ist gar nicht möglich und versteht sie doch.
Denn, so Kuratorin Cathérine Hug, letztlich ist das, was wir unter Landschaft verstehen, immer eine Konstruktion.