Die Gottfried Keller-Stiftung hat einiges zu bieten. Ihre Sammlung vereint zahlreiche berühmte Namen von Angelika Kauffmann bis Ferdinand Hodler, von Albert Anker bis Alberto Giacometti.
Trotz ihrer hochkarätigen Sammlung ist die Gottfried Keller-Stiftung relativ unbekannt. Vielleicht liegt es daran, dass sie kein eigenes Museum hat.
Die über 6000 Werke der Sammlung hängen als Dauerleihgaben in den grossen Museen der Schweiz und werden oft als deren Eigentum wahrgenommen.
Doch die Geschichten, die sich um die Gottfried Keller-Stiftung ranken, sind erzählenswert. Das fängt mit der Gründung der Stiftung 1890 durch Lydia Welti-Escher an.
Eine unglückliche Liebe
Eine unglückliche Ehe in den höchsten Kreisen geht schief: Lydia Welti Escher, die Tochter des reichen Wirtschaftspioniers Alfred Escher, versucht auszubrechen. Sie geht mit dem aufstrebenden Künstler Karl Stauffer nach Rom, sucht da ein neues Leben.
Doch das misslingt. Ihre Familie steckt sie in die Psychiatrie. Später nimmt sie sich das Leben. Zuvor aber sichert sie ihr Vermögen der Kunst. Sie gründet eine Stiftung, die sie mit 5 Millionen Franken ausstattet. Eine Menge Geld. Heute wären das vom Wert her 50 Millionen Franken.
Eigentlich würde Lydia Welti Escher der Stiftung gern ihren Namen geben, aber die Familie ist dagegen. Man rät ihr, Gottfried Keller – den berühmten Dichter und Freund der Familie – als Namenspatron zu wählen.
Praktisch pleite
Die Verwaltung ihrer Stiftung legt Lydia Welti Escher in die Hände des Bundes. Das Finanzdepartement soll sich um das Stiftungskapital kümmern. Vermutlich wähnt die Stifterin ihr Vermögen dort in sicheren Händen.
Doch die Bundesbeamten kümmern sich schlecht um das Geld. 2009 geht durch die Medien, die Stiftung sei praktisch pleite. Wie konnte das Finanzdepartement ein so stattliches Vermögen in Luft auflösen? Ein grosser Teil des Vermögens war in Aktien angelegt. Und die galten um 1890 als unsicher.
Die Bundesbeamten verkauften also die Aktien und kauften stattdessen Bundesanleihen, wie Thomas Sprecher, Anwalt und Stiftungsexperte erklärt. Dabei gingen die Bundesbeamten nicht immer klug vor.
Blick aufs Konto vergessen
Bereits in den 1960er-Jahren war klar, dass das Kapital der Stiftung bald verbraucht sein würde.
Dennoch zog niemand die Reissleine. Andreas Münch, Leiter der Bundeskunstsammlungen, erläutert, die Gottfried Keller-Stiftung habe sich bemüht, Schweizer Kunst, die in den Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor ins Ausland verkauft worden war, zurückzukaufen. Dabei hat man dann schon mal den Blick aufs Konto vergessen.
Viele weitere Unsauberkeiten lassen sich in der Vermögensverwaltung der Gottfried Keller-Stiftung nachzeichnen. Möglich waren sie auch, weil es noch kein klar geregeltes Stiftungsrecht gab und keine Aufsichtsgremien, erklärt Beate Eckhardt, Geschäftsführerin von Swiss Foundations, dem Verband der Schweizer Stiftungen.
Heute wäre es kaum noch möglich, dass eine Stiftung ein so grosses Vermögen praktisch in Luft auflöst.