Am 3. Juli 1973 schockiert David Bowie seine Fans: Er steht auf der Bühne des Hammersmith Odeon in London und verkündet, dies sei sein letztes Konzert als Ziggy Stardust. Daraufhin spielen er und seine Band The Spiders from Mars den Song «Rock'n'Roll Suicide».
Nach etwas über einem Jahr ist Bowies berühmtestes Alter Ego, der androgyne und bisexuelle ausserirdische Superstar Ziggy Stardust, bereits Geschichte.
Ziggys Rock'n'Roll-Selbstmord verwenden Zeichner Mike Allred und Autor Steve Horton als Klammer, um die ersten zehn Jahre von David Bowies Karriere nachzuzeichnen. Entstanden ist die Comic-Biografie «Bowie. Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume». Diesen Frühling, rund vier Jahre nach David Bowies Tod, wurde sie veröffentlicht.
Faszination Weltall
Die Biografie zeigt zehn Jahre des Suchens nach einem Stil: David Bowie probiert vieles aus, von Pop über Folk bis hin zu Glam Rock; er entwirft und verwirft Alter Egos und ihre Looks, experimentiert mit Drogen und seiner Sexualität und landet 1969 seinen ersten grossen Hit «Space Oddity».
Die Ballade um Major Tom, der sich im Weltraum verliert, erscheint geschickterweise in der Woche der ersten Mond-Landung – der Song wird ein Hit und David Bowie endlich ein Star.
Glamouröses Pop-Art-Feeling
Diese Entwicklungsjahre inszenieren die US-Amerikaner Allred und Horton in Form eines berauschten Bildersogs und vermitteln die schillernde Buntheit, die Künstlichkeit, das glamouröse Pop-Art-Feeling von Bowies Kunstwelt auf berückende Weise. Plattencover, Plakate, Live-Posen – kein ikonisches Bowiebild der Sechziger- und frühen Siebzigerjahre scheint zu fehlen.
Inhaltlich aber verpassen es Allred und Horton, Bowies Aufstieg vom Teenager zum Ausserirdischen im Glitterkostüm mit einem dramatischen Bogen zu versehen.
Sie nutzen zwar Ziggys Selbstmord auf der Bühne als Klammer, doch dazwischen begnügen sie sich mit einer Aneinanderreihung von Fakten, Daten, Auftritten, Anekdoten und Begegnungen. Die Geschichte kreuzt so gut wie alle, die in der Popkultur Rang und Namen haben, von Mick Jagger und Marc Bolan über Elton John bis hin zu Iggy Pop.
Dieses Erzählprinzip, das auf fragmentierte Fakten statt auf Dramaturgie setzt, auf Anekdoten statt auf Zusammenhänge, erschöpft sich mit der Zeit.
Der Superstar als Superheld
Der Zeichner Mike Allred, der vor allem für den Retro-Superhelden «Madman» bekannt ist, inszeniert auch Bowie wie einen Superhelden: Alles Oberfläche, keine Tiefe; Kostüm statt Psychologie; Show statt Persönlichkeit – dabei hätte David Bowie so viel mehr zu bieten.
Andererseits ist diese Annäherung im Fall des Pop-Chamäleons nicht ganz unberechtigt: Bowie selber wollte, dass das Publikum der Faszination seiner Kunstfiguren erlag, und er wechselte seine Identitäten so rasch, dass das Publikum keine Zeit hatte, sich zu sehr an sie zu gewöhnen. Selbst seine erfolgreichste Kunstfigur Ziggy Stardust lebte nur ein Jahr lang, und doch ist Ziggy als Pop-Ikone zeit- und alterslos.
Die Oberflächlichkeit dieser Bowie-Biografie hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Gezeichnet jedoch ist sie mit spürbarer Begeisterung: «Bowie. Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume» ist ein fiebriger Trip durch diese Schlüsseljahre der Pop-Kultur.