An den Säulen des grossen Saals im 3. Stock leuchten in schwungvoller Neonschrift die Zahlen 9, 4, 5 und 1. Dahinter verbirgt sich ein simpler Zahlencode: Jede Ziffer bezeichnet einen Buchstaben im Alphabet. Übersetzt bedeutet die Zahlenreihe «Idea».
Diese kleine Arbeit von Brigitte Kowanz gibt einen wichtigen Fingerzeig, um was es der österreichischen Künstlerin geht: Nicht allein um das physikalische Phänomen Licht. Es geht auch um Licht im übertragenen Sinn – um seine erhellende Kraft, um das Licht der Aufklärung, des Geistes.
Aufklären und Verstecken
Brigitte Kowanz arbeitet mit vielen verschiedenen Leuchtstoffen – mit Neonschriften, Fluoreszenzfarben und Glimmlämpchen in Mehrfachsteckern – und mit verschiedenen Schriften und Sprachcodes.
Die Themen Licht und Erkennen, Mitteilen und Verschlüsseln verschränken sich so miteinander. Ihre Arbeiten sind erhellend und geheimnisvoll zugleich.
Endloser Reflexionsraum
Zum Beispiel die grossformatige Installation «www.12.03.1989 06.08.1991», die an der Biennale in Venedig zu sehen war. Die beiden Daten bezeichnen zwei wichtige Meilensteine in der Geschichte des World Wide Web.
Die Künstlerin hat die Daten in Morseschrift notiert und mit einer Linie verbunden. Diese Linie hat sie in einem Neonschriftzug nachbilden lassen, der auf einem Spiegel montiert ist.
Die Leuchtlinie auf dem Spiegel wirkt wie eine fremde Schrift und erzeugt zahllose Reflexionen im virtuellen Raum des Spiegels. Die Installation wirkt mindestens so verwirrend wie erhellend – und unglaublich schön.
Brigitte Kowanz' Werke sind zwar sehr konzeptuell – aber dennoch sehr elegant, sehr schön, sehr faszinierend.
Malen mit Feuer und Rauch
Das gilt auch für die Lichtinstallationen und Luftskulpturen von Otto Piene. Der deutsche Künstler suchte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nach neuen künstlerischen Ausdrucksmitteln und -formen. Piene versuchte Elemente wie Licht, Feuer und Rauch in seine Arbeiten zu integrieren.
Otto Piene experimentierte zunächst mit Kerzen und Öllampen, deren Rauch er auf Leinwände lenkte. Auf den mit Ölfarben und Lacken präparierten Leinwänden wurden dunkle Russablagerungen aber auch Brandblasen sichtbar.
Tanzende Sterne und schwebende Palmen
Später entwickelte Otto Piene sogenannte «Lichtballette»: Installationen mit rotierenden Lichtern in Kästen mit perforierten Wänden. Die Lochmuster in den Kastenwänden sorgten dafür, dass das Licht wie in dichten Sternennebeln über die Saalwand tanzt. Im Haus Konstruktiv ist eine dieser sehr poetischen, sehr märchenhaften Arbeiten zu sehen.
Die Ausstellung zeigt zudem auch einige von Pienes grossen, so beeindruckenden wie verspielten Luftskulpturen: Palmen aus Segeltuch in leuchtenden Farben, die durch den Luftstrom aus einem Gebläse aufrecht gehalten werden und sachte im Raum schwanken.
Erhellend für das Kunstpublikum
Die beiden Ausstellungen können jede für sich begeistern – und sie ergänzen sich wunderbar. Denn sie zeigen, wie Licht Kunstschaffende inspirieren kann, wie unterschiedlich Künstlerinnen und Künstler mit dem Phänomen Licht umgehen. Und wie erhellend und erquickend das fürs Kunstpublikum sein kann.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 5.2.2020, 17:20 Uhr