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Kunst «Heim und Leben»: ein staatstragendes Heftli kommt ins Museum

Schnittmuster, Fortsetzungsromane und Fotos: Das Museum im Bellpark Kriens zeigt das Fotoarchiv des Verlags C.J. Bucher. Die Bilder aus Zeitschriften wie der «Hausfreund» oder «Heim und Leben» zeichnen ein fotografisches Langzeitporträt der Schweiz von den 30ern- bis in die 60er-Jahre.

Rezepte für Zitronenkuchen sind zu finden in «Heim und Leben». Und Schnittmuster für modische Blusen, Fortsetzungsromane, ein Interview mit Federico Fellini, eine Reportage «So wohnen Filmstars» und Fotoreportagen über die Schweiz: «Wundervolle Alpenwelt» heisst eine, «Das Urner Isenthal» eine andere.

Diese Reportagen bildeten eine Art Schweizer Reise in Bildern, sie informierten über Land und Leute, Leute und Sitten, und sie hatten die Aufgabe, über Bilder den Zusammenhalt der Nation zu stärken, sagt Hilar Stadler, Leiter des Museums im Bellpark Kriens.

Vermittlungsleistung in Bildern

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Hilar Stadler über den staatstragenden Gehalt von Reportagen.
aus Reflexe vom 16.09.2013.
abspielen. Laufzeit 13 Sekunden.

In Gegensatzpaaren nähert sich die Ausstellung dem Fotofundus aus dem Verlagsarchiv C.J. Bucher. Alt und Neu, Jung und Alt, Stadt und Land, Arm und Reich. Die gesellschaftlichen Extrempole, die die Realität ausmachen, liegen weit auseinander, aber die Medienprodukte aus dem Bucher-Verlag extrapolierten nicht. Das ist in dieser Ausstellung auf den Fotos sichtbar. Reichtum etwa zeigt sich bescheiden, Exzesse sind keine zu sehen, eher die grössere Auswahl an Konsummöglichkeiten oder Freizeitangeboten.

Drei halbstarke Frauen, eine mit Zigarette im Mundwinkel und Korb in der Hand.
Legende: «Die Halbstarken … sind wir das wirklich», 1960 Carl Hofer, Diamant Exclusive Fotos/Museum im Bellpark

Aussenseiter wie zum Beispiel Halbstarke werden in Fotoreportagen aus den 60er-Jahren wohl in ihrer Andersartigkeit gezeigt. Die Frauen tragen Röhrlijeans, kurze Haare, sie klemmen Kippen wie Westernhelden zwischen die Lippen und blicken furchtlos direkt in die Kamera. Die Reportage, in der dieses Bild von Carl Hofer zu sehen war, stellte diese Jugendlichen nicht aus, sondern fragte danach, ob die Halbstarken wirklich so sind. Die Reportage versuchte zu vermitteln und zu zeigen, dass diese jungen Menschen, so andersartig sie aussehen, ihren Beitrag in der Gesellschaft leisten.

Die Fotos vermitteln auch die Gegensätze zwischen Tradition und Moderne. Der grosse Modernisierungsschub, der die Schweiz in den 50er- und 60er-Jahren erfasste, ist auf zahlreichen Bildern zu sehen. Aber er wird nicht als harter Bruch dargestellt. Die neue Zürcher Hochhaussiedlung fügt sich auf einem Foto in Vogelschau harmonisch in das Geviert der älteren Häuser ein und die Gotthardstrasse zeigte Claude Jaccard auf einem Foto von 1967 wohl als Triumph der Technik, aber als harmonisches Ganzes, das Tradition und Moderne vereint.

Ein Stück Schweizer Mediengeschichte

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Hilar Stadler über Fotos der Gotthardstrasse.
aus Reflexe vom 16.09.2013.
abspielen. Laufzeit 17 Sekunden.

Die erste Ausgabe der Illustrierten «Heim und Leben» war 1933 erschienen. Sie richtete sich an die ganze Familie und verschönerte den Alltag. Die Illustrierte profitierte von der technischen Errungenschaft des Tiefdrucks, der Fotos in guter Qualität reproduzieren konnte. Striktes Schwarz-Weiss prägte die Zeitschrift. Später erschienen das Titelblatt und die Rückseite in Farbe. Auf der Vorderseite prangte das Starporträt von Maria Schell, auf der Rückseite die farbige Reproduktion eines impressionistischen Meisterwerks. Auch gute Kunstdrucke brachte «Heim und Leben» seinen Lesern – darunter auch immer mehr Leserinnen.

Die Ausstellung

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«Heim und Leben. Aus dem Fotoarchiv einer illustrierten Publikumszeitschrift» ist bis zum 3.11. im Museum im Bellpark Kriens zu sehen

Mit dem Bildungs- und Unterhaltungsauftrag kam die Illustrierte bis in die 60er-Jahre, 1966 erschien die letzte Ausgabe. Man empfahl den Abonnentinnen, zur «Annabelle» zu wechseln. Der spezifische Schweizerische Blick von «Heim und Leben» hatte ausgedient. Die Leserschaft wollte mit der Welt verbunden werden und keine Schweiz Reise mehr buchen.

Keine monografische Ausstellung

Was bleibt sind Qualitätsbilder von namhaften Schweizer Fotografen der Kriegs- und Nachkriegszeit in einem Verlagsarchiv – und jetzt in einer Ausstellung. Darunter findet man Paul Senn und Theo Frey ebenso wie Rob Gnant und Arnold Odermatt. Und für einmal sind ihre Fotos nicht monografisch in einzelnen Fotografenpersönlichkeiten gewidmeten Ausstellungen zu sehen, sondern im Publikationszusammenhang. Als Werk- und Überblicksschau über historische Bildsprachen der Schweizer Pressefotografie und vergangene Schweizer Werte.

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