Hiroyuki Murase ist knapp 20 und zum Studium im Ausland, als er die alte Färbekunst Shibori mit neuen Augen sieht. Sein Vater hatte Stoffe für eine Ausstellung nach England gebracht und Murase amtete als Dolmetscher: «Plötzlich fand ich diese Stoffe meiner Heimat schön.»
Heute ist Hiroyuki Murase 41 Jahre alt und Modedesigner in Düsseldorf. Seine Kollektionen fertigt er aus Shibori-Stoffen. Dabei wollte er erst gar nicht ins Familienunternehmen einsteigen.
Japanisches Handwerk mit langer Tradition
Hiroyuki Murase stammt aus einer traditionellen Shibori-Färberfamilie aus Arimatsu, einer kleinen Stadt in Japan.
Lange hatte Arimatsu japanweit das Monopol auf die Shibori-Färbetechnik: «Als der damalige Herrscher vor 400 Jahren beschloss, diesen Ort zu besiedeln, liessen sich acht Familien nieder.»
Bald hatten sie ein Problem: In der kargen Gegend wuchs nichts. «Da hatte eine Familie die Idee, Stoff zu färben.» Ein Erfolgsrezept: Arimatsu lag auf einer historischen Route zwischen Tokyo und Kyoto und die gefärbten Stoffe verkauften sich gut.
Eigene künstlerische Wege gehen
Murases Familie ist seit fünf Generationen ebenfalls im Shibori-Handwerk tätig. Eine Technik, welche die Familien in Heimarbeit ausführen.
Das war dem Heranwachsenden zu viel: «Überall lag Stoff. Im Wohnzimmer, in der Küche, im Badezimmer», sagt er. Er wollte Künstler werden und ging fürs Studium erst nach England, dann nach Düsseldorf.
Der Vater zeigte Verständnis: «Die Shibori-Industrie war am Boden, da sich Kimonos kaum mehr verkauften.»
Handwerkskunst muss bewahrt werden
Doch als Hiroyuki Murase in England die Shibori-Stoffe wiedersah, habe er begriffen: «Diese alte Technik ist am Verschwinden.» Denn mit jeder Person, die stirbt, geht auch ihr Wissen um die Tradition verloren.
Shibori ist aufwändig. Dabei werden Teile des Stoffs für den Färbeprozess abgebunden, abgenäht oder abgeklemmt – so entstehen Muster. Gerade die Abschnürtechnik ist vielen aus Ferienlagern bekannt.
Landläufig nennt man sie «Batik». Das ist jedoch falsch. Batik ist eine indonesische Färbetechnik mit Reispaste. Shibori ist keine japanische Erfindung. Es gibt dieselbe Technik in Afrika, Südamerika, Indien und Malaysia.
Bei Shibori zeichnet man mit Schablonen Muster auf den Stoff. Dann wird dieser abgenäht, gefaltet oder geschnürt. Jeden Arbeitsschritt übernimmt eine Familie. Bis zu sieben Familien wirken an einem Stoff mit. Murases Familie stellt die Schablonen her.
Moderne Designs sichern die Zukunft des Shibori
Noch in seiner Studentenzeit gründete der damals 26-jährige Hiroyuki Murase sein Label «Suzusan». Mit der alten Technik färbt er statt Baumwolle Kaschmir und macht daraus keine Kimonos, sondern Pullover oder Schals.
Die Stoffe lässt er bei seinem Vater produzieren. Es funktioniert: Mittlerweile arbeiten in Arimatsu 19 Personen für sein Label. «Die jüngsten sind 20 Jahre alt.» Der Nachwuchs ist da. Die Shibori-Färbekunst ist in seiner Heimatstadt damit vorerst in sicheren Händen.