Auf dem Kiesplatz am Seeufer liegen ein Dutzend Lärchenstämme. Dann heulen die Motorsägen auf und ein Stamm nach dem anderen wird in Stücke zersägt – beobachtet von gut dreissig Holzbildhauern, die darauf warten, mit dem Schnitzen loslegen zu können.
Maria Blaser ist eine der jüngsten Holzbildhauerinnen an diesem Symposium . Die 22-jährige Bündnerin hat ihren Stamm bald gefunden und rollt – zufrieden mit ihrer Wahl – die Stücke unter einen Sonnenschirm an ihren Arbeitsplatz direkt am Wasser. Bevor sie mit dem Schnitzen der Skulptur beginnen kann, muss der Stamm zuerst von der Rinde befreit werden. Sie nimmt einen grossen Spachtel und beginnt zu schaben.
Austausch fördern
Das Holzbildhauer Symposium gibt es bereits seit den 80er-Jahren und zieht bis heute viele Künstler aus aller Welt nach Brienz. Das Ziel sei es, eine Plattform für die Kunst des Holzbildhauens zu schaffen, sagt Organisator Markus Flück. «Wir wollen den offenen Austausch zwischen Holzbildhauerinnen untereinander fördern.» Während einer Woche arbeiten, leben und essen die Teilnehmenden gemeinsam. Dabei lerne man sich kennen und schätzen.
Werkstatt am Seeufer
Seit 2012 ist Markus Flück, selber Holzbildhauer, Teil des Organisationsteams. Neben der Vernetzung der Künstler ist dem 37-Jährigen vor allem auch der Kontakt zur Öffentlichkeit wichtig. So wird das Seeufer zu einer grossen öffentlichen Werkstatt und die Promenade zur Freilichtausstellung.
Von morgens bis abends können interessierte Zuschauer den Künstlern bei der Arbeit zusehen, Fragen stellen und am Schluss die Skulpturen kaufen.
Für Maria Blaser war das Symposium eine neue Erfahrung. «Ich musste mich zuerst daran gewöhnen, dass die Leute stehen bleiben und mir beim Schnitzen zuschauen», sagt sie. Aber es sei toll, wenn sich die Leute für ihre Skulpturen interessierten, ergänzt sie und greift zur Motorsäge. Jetzt gilt es, die Form der Skulptur aus dem Holz zu sägen. Ihr Projekt: Segelschiffchen.
Internationales Aufgebot
Um am Symposium teilnehmen zu können, muss man sich mit einer Skizze bewerben. Markus Flück beurteilt die eingereichten Vorlagen. «Wir achten darauf, eine Vielfalt zu haben: einerseits fachlich-bildhauerisch, aber auch in Bezug auf die Herkunft», sagt er.
Am diesjährigen Symposium kommen die Teilnehmenden aus Afrika, Asien und Europa. Sie verwenden verschiedene Techniken und inspirieren sich gegenseitig.
Immer mehr Frauen
Auch viele Lernende wie Maria Blaser sind dabei. Sie besucht in Brienz im dritten Lehrjahr die schweizweit einzige Schule für Holzbildhauerei. Geleitet wird die Schule von Markus Flück.
Die Nachfrage an Ausbildungsplätzen für das traditionsreiche Handwerk sei hoch, Tendenz steigend, sagt er. Längst sei das Holzbildhauen kein männerdominierter Beruf mehr: In der Ausbildung seien heute sogar mehr Frauen.
Hohe Qualität
Nach fünf Tagen Sägen, Hämmern und Schleifen am Quai ist Schluss: Markus Flück schlendert über den Quai an den Figuren vorbei, zufrieden und voll des Lobes: «Es sind die besten Skulpturen entstanden, die wir je hatten.»
Auch Maria Blaser hat zusammen mit ihrer Kollegin die letzten Feinheiten geschliffen. Die harte Arbeit hat sich gelohnt: Eines der geschnitzten Schiffchen hat bereits den Heimathafen verlassen – es wurde verkauft.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 20.07.2018, 9.00 Uhr