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J.M.W. Turner in Luzern Wie mit dem Wischmopp gemalt

William Turner gilt als Meister des Lichts und Vorläufer der Moderne. Dabei war der britische Maler eigentlich Realist. Wie das zusammengeht, zeigt eine Ausstellung in Luzern.

Nichts als Wolken, Dunst, Gischt und farbige Schleier malte William Turner (1775-1851) in seinen berühmtesten Bildern. Das brachte ihm viel Ruhm ein und den Ruf, als Vorläufer der Moderne die Abstraktion bereits im 19. Jahrhundert vorweggenommen zu haben.

Ein Aquarell: grau, rötlich und schwarz.
Legende: «Sea Monsters and Vessels at Sunset», ca. 1845. Tate, London, 2019

Nicht alle Kunstfreunde aber bejubelten Turners Malerei. Eine zeitgenössische Karikatur zeigt Turner mit Wischmopp in der Hand, wie er aus einem Eimer gelbe Farbe auf die Leinwand schmiert.

Gnadenloser Realist

Die Turner-Ausstellung im Kunstmuseum Luzern zeigt einen anderen britischen Künstler. Einen, den wir gerne als frühen Abstrakten sehen.

«Aber eigentlich war Turner ein gnadenloser Realist», sagt der Schweizer Kunsthistoriker Beat Wismer, der mit Direktorin Fanni Fetzer die Ausstellung im Kunstmuseum Luzern kuratiert hat. Er habe die Welt zeigen wollen, wie sie ist.

Ein Aquarell von William Turner: Landschaftsbild mit den Alpen im Hintergrund.
Legende: «The St Gotthard Road between Amsteg and Wassen, Looking up the Reuss Valley», ca. 1814/15. Tate, London, 2019

Turners Realismus bedeutet jedoch nicht, die einzelnen Blätter eines Baumes abzumalen. Ihm geht es um Stimmungen: «Atmosphere is my style», so lautet ein berühmter Ausspruch des Künstlers. Diese Stimmungen sind allerdings nicht erfunden und eindeutig lokalisierbar.

Sammler der Landschaft

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf Turners Luzerner Ansichten. Fünf Mal reiste der britische Künstler im 19. Jahrhundert nach Luzern.

Während andere britische Touristen um 1800 auf die höchsten Berge kletterten und Rekorden nachjagten, sammelte Turner spektakuläre Landschaften: Steile Berghänge, tiefe Täler, sanfte Seestimmungen, böse Gewitter und immer wieder die Rigi.

Ein Aquarell von William Turner: Die Rigi.
Legende: «The Rigi», 1844. Tate, London, 2019

Die spektakulären Landschaften, die Turner in Skizzen und auf Aquarellen vor Ort festhielt – sogar während einer Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee –, verdichtete er in London zu Musterstudien, die sein Publikum dazu ermuntern sollten, ein Ölbild in Auftrag zu geben.

Deutlich wird in der Ausstellung, wie genau Turner Landschaft sieht. Und, dass einer immer genauer weiss, wie aus Wolken, Fels, Wasser, Licht und Schatten Landschaften zu komponieren sind.

Abenteuer mit Tiefe

Die hohen Berge haben es Turner genauso wie anderen Briten angetan, aber ihn faszinierten sie, weil mit ihnen ein abenteuerlicher Umgang mit Tiefe oder Ausblicke in den Himmel möglich wurden.

Ein Aquarell von William Turner: dunkles Gebirge.
Legende: «The Schollenen Gorge from the Devil’s Bridge. Pass of St Gotthard», 1802. Tate, London, 2019

Turners Innovationen auf dem Gebiet der Landschaftsmalerei und seine Bild gewordene Propaganda für das bisher wenig angesehene Genre der Landschaft, illustriert die Luzerner Schau meisterhaft. Gerade weil auf einem Haufen so viele Himmel, Schluchten und Rigis zu sehen sind.

Ausstellungshinweis

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Das Kunstmuseum Luzern zeigt «Turner. Das Meer und die Alpen» vom 06. Juli bis am 13. Oktober 2019.

So fällt auf, dass Turner seine Landschaften nicht nur im Quer-, sondern auch im Hochformat malte, um eben tiefe Täler und hohe Berge einfangen zu können.

Seine Bilder sind ausserdem schrankenlos, keine Geländer rahmen den Rheinfall, unmittelbar stehen die Betrachterinnen und Betrachter vor der Landschaft. Ihre Komfortzone im gekühlten Museum brauchen sie dafür nicht zu verlassen.

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