Zum Inhalt springen

Jahrhundertealte Tradition Der Schweizer Scherenschnitt hat ein neues Zentrum

Vom Öpfelbitzgi bis zur Fahrleitung: Der Schweizer Scherenschnitt ist innovativ. Das Handwerk hat nun ein Zentrum in Chateau d’Oex.

Kühe, Alpaufzüge, Chalets: die klassischen Sujets des traditionellen Schweizer Scherenschnitts. Ausgeführt von den besten ihres Faches, ziehen sie in der Ausstellung «Typisch Schweiz» in ihren Bann.

Mit dieser Werkschau bezieht der Verein Scherenschnitt Schweiz sein neues Zentrum im Musée du Vieux Pays-d’Enhaut. Das Heimatmuseum in Chateau d’Oex wurde zwei Jahre lang um- und ausgebaut.

Moderne Sujets

Zu überraschen vermögen vor allem die modernen Sujets der Ausstellung: Ein «Öpfelbitzgi» aus der Ostschweiz zum Beispiel. Mit dem Cutter geschnitten, sieht es aus der Distanz aus wie ein Druck. Die Papier-Streifchen sind teilweise fein wie Fäden. Aber die Werkschau wartet auch mit dreidimensionalen Werken auf: Eine Aargauer Tracht, ganz aus Papier, steht im Raum.

Ein abgegessener Apfel.
Legende: Nicht auf den ersten Blick als Scherenschnitt erkennbar: Das Werk des Ostschweizers Werner Gunterswiler. Andrew Cuthbertson

Die Qualität des Schweizer Scherenschnitts steigt

Die Jury hält in ihrem Bericht zur Ausstellung fest, dass die Auswahl der 72 ausgestellten Scherenschnitte schwergefallen sei. Doppelt so viele Werke waren eingereicht worden. Darunter solche, die vor ein paar Jahren vielleicht noch angenommen worden wären, heisst es im Bericht. Heute ist die Hürde höher: Innovation sei zwar kein Muss, werde aber immer wichtiger.

Chateau d’Oex sei ein gutes zu Hause für die Scherenschnitte, meint Monique Buri, Präsidentin des Vereins Scherenschnitt Schweiz: «Hier liegt die Wiege des traditionellen Scherenschnitts.»

Berühmte Scherenschneider aus der Region

Im Pays-d’Enhaut lebten zwei der ganz Grossen der Schweizer Scherenschnittkunst: Einerseits Jean-Jacques Hauswirth (1808-1871), ein Holzfäller und Köhler aus der Region. Er hat den Bauern, die ihn gut behandelten und bekochten, zum Dank manchmal einen Scherenschnitt geschenkt. So konnte das Musée du Vieux Pays d’Enhaut in der Region viele Scherenschnitte dieses frühen Meisters sammeln. Hauswirths Werke zeigen Ausschnitte aus dem bäuerlichen Leben und wurden im Laufe der Zeit immer farbiger.

Andererseits Louis Saugy (1871-1953), Sohn einer Lehrerin. Er lernte früh zeichnen und entdeckte Hauswirths Scherenschnitte wohl, als er als Briefträger in der Region tätig war. Saugy entwickelte die Technik weiter und brachte die perspektivische Darstellung und Dynamik in den Scherenschnitt.

Fahrleitungen von einer Eisenbahn oder Tram.
Legende: Früher der Alpabzug, heute Fahrleitungen der Künstlerin Lisa Zollinger: Das typisch Schweizerische Handwerk bleibt innovativ. Andrew Cuthbertson

Ein Heimatmuseum mit einem Extra

Neben seinen historischen Scherenschnitten ist das Musée du Vieux Pays-d’Enhaut ein klassisches Heimatmuseum. Glocken, historische Gerätschaften, Bauerntruhen: Es gibt das gleiche zu sehen, wie in anderen Museen der Region auch. Dass man Scherenschnitte vom 17. Jahrhundert bis heute betrachten kann, ist ein Alleinstellungsmerkmal, weiss auch der Leiter des Museums, Jean-Frédéric Henchoz.

Die aktuelle Ausstellung von Scherenschnitt Schweiz dauert noch bis Ende Februar. Danach ist mindestens vereinbart, dass die Sammlung und Bibliothek des Vereins in Chateau d'Oex untergebracht sind. Aber Neugierige dürfen wohl davon ausgehen, dass auch der zeitgenössische Scherenschnitt seinen Platz hier haben wird.

Austellungshinweis

Box aufklappen Box zuklappen

«Typisch Schweiz»

Die 10. Schweizer Scherenschnitt-Ausstellung von Scherenschnitt Schweiz. Zu sehen im Musée du Vieux Pays-d’Enhaut bis 26. Februar 2023.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 02.12.2022, 7:06 Uhr

Meistgelesene Artikel