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Architektur Kleines Heim, Glück allein

Das Minihaus erlebt ein Revival: Der Schweizer Architekt Urs Peter Flückiger hat ein Buch mit grossartigen Kleinsthäusern zusammengestellt.

Das wichtigste in Kürze

  • Die Wohnfläche pro Person ist in den USA stark gewachsen. Kleinsthäuser sind ein Gegentrend zu dieser Entwicklung.
  • Der Schweizer Architekt Urs Peter Flückiger widmet sich dem Thema der Minihäuser in einem Buch.
  • Er stellt darin das erste Minihaus, Corbusiers «Cabanon» vor sowie einen Bau seiner Studierenden vor.

Eine US-amerikanische Erfindung

Das Interesse an «Tiny Houses», an kleinen, völlig autarken Häuschen, ist in den USA eine eigentliche Bewegung. Das kommt nicht von ungefähr.

Zum einen war der Erfinder der minimalen Hütte ein Amerikaner: der Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau. Am Waldensee in Massachusetts baute er sich vor 170 Jahren eigenhändig eine winzige Hütte.

Thoreau, der zivil Ungehorsame, wohnte dort zurückgezogen. Zwei Jahre lang liess er sich vom einfachen Leben inspirieren, um sein berühmtes Buch «Walden oder das Leben in den Wäldern» zu schreiben.

Zum andern haben viele Menschen in den USA die Nase voll vom gigantischen Zuwachs an Wohnfläche. 1950 verfügte ein durchschnittliches amerikanisches Einfamilienhaus über 93 Quadratmeter Wohnfläche, heute sind es 241 Quadratmeter. Während die Wohnfläche gewachsen ist, ist die Zahl der Personen pro Haushalt geschrumpft.

3,66 x 3,66 Meter

Der Schweizer Architekt Urs Peter Flückiger lehrt seit Jahren an der Texas Tech University als Professor. Er hat seinen Studierenden von Henry David Thoreaus radikaler Hütte erzählt.

Aber auch von Le Corbusier, der sein raffiniertes Miniaturhaus «Cabanon» entwarf und es 1951 im Schatten eines mächtigen Johannisbrotbaums an der Côte d’Azur bauen liess.

Architekturzeichnung eines sehr kleinen Hauses.
Legende: Le Corbusiers «Cabanon». Birkhäuser

Für diese Hütte mit einer Fläche von 3,66 mal 3,66 Metern wendete Le Corbusier seinen berühmten Modulor, sein Proportionsschema, an. In einem Interview in Radio France schwärmt er: «Für meinen persönlichen Gebrauch habe ich ein Schloss an der Côte d’Azur, das 3,66 mal 3,66 Meter misst. Es war für meine Frau, es war grossartig, innen war es fantastisch komfortabel und schön.»

Wie viel Haus braucht der Mensch?

Der ausgeklügelt konzipierte «Cabanon» des Stararchitekten Le Corbusier und die minimale Hütte des Vordenkers der ökologischen Bewegung Thoreau stellen die kritische Frage: Wie viel Haus braucht der Mensch eigentlich?

Die beiden Hütten zeigen auch, dass die Konzentration auf das Wesentliche im Bauen eine magische, ja geradezu poetische Wirkung hat. Für Flückigers Studierenden an der Texas Tech University waren die beiden Beispiele Inspirationsquelle, um selbst eine nachhaltige Forschungshütte zu entwerfen und zu bauen.

Architekturzeichnung eines kleinen Hauses.
Legende: Die «Sustainable Cabin». Birkhäuser

Entstanden ist eine kompakte, autarke Kiste, die «Sustainable Cabin». Mit einer Fläche von 37 Quadratmetern ist sie so gross wie eine durchschnittliche amerikanische Garage.

Die Wände sind aus Holz und verzinktem Wellblech, die Wärmedämmung dazwischen besteht aus recycelter Bluejeans-Baumwolle. Diese Konstruktion steht auf einem Sockel aus wiederverwertetem Stahl.

Die gläsernen Schiebetüren erlauben den Ausblick in die Landschaft. Zwei Zisternen sammeln das Regenwasser, Solarzellen liefen den Strom für Lampen, Kühlschrank und Kochherd.

Grosse Fragen auf kleinem Raum

Alle drei Hütten hat Urs Peter Flückiger in sein schmales Buch «Wie viel Haus? Thoreau, Le Corbusier und die Sustainable Cabin» gepackt.

Anhand von präzisen Analysen, Plänen und Bildern liefert er gleichsam auf kleinstem Raum einen anregenden Beitrag zu aktuellen Fragen nach Raumbedarf, ökologischem Fussabdruck und Wohnkosten.

Buchhinweis

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Urs Peter Flückiger: «Wie viel Haus? Thoreau, Le Corbusier und die Sustainable Cabin». Reinach 2016.

Vier Jahre in der Schachtel

Schade ist, dass ein wunderbares, winziges Haus fehlt: «Lådan» («die Schachtel») des schwedisch-britischen Architekten Ralph Erskine. 1942 baute er sich südlich von Stockholm sein erstes Haus mit 20 Quadratmetern Wohnfläche.

Den Raum teilte er mit einem Cheminée in eine winzige Küche und einen Wohn- und Schlafraum. Das Bett konnte an Seilen tagsüber zur Decke hochgezogen und Eskines Arbeitstisch an die Wand geklappt werden. Das gestapelte Holz, das unter dem Dachvorsprung auf der Nordseite trocknete, diente gleichzeitig als Isolierung. Im Unterschied zu Le Corbusier «Cabanon» war «Lådan» als Wohnhaus gedacht. Vier Jahre wohnte Ralph Eskine mit Frau und einer kleinen Tochter in der Schachtel.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 3.1.2017, 17:06 Uhr

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