Wenn Künstler über Kunst schreiben, kommen häufig Manifeste heraus. Da geht es dann darum, der Welt zu erklären, warum die eigenen Kunstwerke richtig gute Kunst sind. Der britische Künstler Grayson Perry macht mit seinem Buch «So geht Kunst!» etwas anderes.
Bei einem breiteren Publikum wurde Perry 2003 bekannt, als er mit dem «Turner Prize» eine der wichtigsten Auszeichnungen für zeitgenössische Kunst erhielt. Als Töpfer machte er sich einen Namen mit Objekten, die die Geschichte englischer Handwerkskunst reflektieren, als Person des öffentlichen Lebens mit seiner grossen Klappe.
Orientierung im Dschungel der Kunst
Gute Voraussetzungen, dachte sich die BBC und beauftragte den Künstler 2013, die renommierte «Reith Lecture» zu halten. Der jährliche Radiovortrag ist eine britische Institution. Perry erklärte in seinen Vorträgen, wie die zeitgenössische Kunst zu verstehen und vielleicht zu lieben sei. Und machte aus den Vorträgen sein Buch.
Darin dekliniert der Künstler nicht die wichtigsten Epochen der Kunstgeschichte durch. Er liefert auch keine Tipps für geeignete Gesprächsthemen an Vernissagen. Überhaupt hebt sich Perrys Buch angenehm ab von den vielen anderen Sachbüchern, die den Leserinnen und Lesern Orientierung im Dschungel der zeitgenössischen Kunst versprechen.
«Demokratie hat einen schlechten Geschmack»
Denn der Künstler schlägt ebenso scharfsinnig, witzig wie kritisch um sich und demontiert eine ganze Reihe möglicher Qualitätskriterien. Gute Kunst, so Perry, ist weder schön noch populär. Im Gegenteil. Was populär ist, ist sogar sehr wahrscheinlich schlechte Kunst. Perry belegt mit Anekdoten und eigenen Erlebnissen, wie er zur Einsicht kam, dass «Demokratie einen schlechten Geschmack hat.»
Auch ein hoher Preis ist kein Qualitätskriterium. Kunst ist weder eine pure Geldanlage noch eine reine, idealistische Angelegenheit. Perry legt aber dar, wie er als differenzierter Pragmatiker zur Einsicht gelangte, «dass man nur mit solchen Werken richtig Karriere machen kann, die in den Lift eines New Yorker Apartmenthauses passen.»
Eine Würdigung für Widersprüche
Die Stärke dieses Buches ist, dass hier einer mit Witz und scharfer Zunge die Kunstwelt kritisiert, aber gleichzeitig ein Teil von ihr ist. Grayson Perry lässt keine Zweifel: er liebt die Kunst. Wie ein Hofnarr schlägt er aus seiner Befangenheit Kapital. Und nimmt sich auch die Freiheit, populistische Reflexe zu bedienen.
Er kritisiert die Arroganz, die unverständliche Sprache und die elitäre Haltung der Kunstwelt und bedient gerne das Schema: wir hier unten gegen die da oben. Allerdings kommt Perrys Populismus aus einer Minderheitenposition. Denn hier spricht kein «Bluechip Artist», sondern ein Töpfer und Crossdresser.
Dass dieses differenzierte Buch viel Mühe darauf verwendet, die Widersprüche in unserem Umgang mit Kunst zu würdigen, macht die Lektüre zum Vergnügen, Perrys Witz und die Karikaturen, mit denen er sein Buch illustrierte, zu einer puren Lust.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 4.4.2017, 9.03 Uhr