Am Freitag, kurz nach Donald Trump, wird am WEF kein Politiker sprechen, sondern ein Künstler: der iranische Maler Mehdi Ghadyanloo. Das Thema: Wie Kunst die zerrissene Welt heilen kann.
Ist dieser Anspruch nicht ein wenig vermessen? Mehdi Ghadyanloo steht in der Sonne im Schnee, schaut einem Mann beim Schneeräumen zu und meint bestimmt: «Hier ist der Ort, wo Künstler sich austauschen und die Meinung der mächtigsten Leute beeinflussen können.»
Surrealismus im Iran
Auch in seiner Heimat im Iran versucht Mehdi Ghadyanloo, Veränderung anzustossen. Ein Regimegegner ist er aber nicht. Im Auftrag der Behörden malt er riesige Wandbilder.
Seine Gemälde erinnern an die Surrealisten Max Ernst oder René Magritte: eine Wolke, aus der es regnet, Kinder, die vom Hausdach rutschen oder ein Kind, das ein Bündel Ballone hält und durch ein Loch in der Decke in die Höhe schwebt. Mehdi und sein Team arbeiten mit optischen Täuschungen und spielen raffiniert mit der vorhandenen Architektur.
Kunst für die Öffentlichkeit
Mehr als 150 grossflächige Bilder hat Ghadyanloo in den letzten sechs Jahren verwirklicht. Mit seinen Wandbildern habe er ein Millionenpublikum, so Ghadyanloo. Das scheint nicht übertrieben, wenn man in Betracht zieht, dass Teheran fast neun Millionen Einwohner hat.
Ghadyanloo bemalt aber nicht nur in seiner Heimat sondern weltweit leere Hauswände, etwa in London oder Boston. Der 37-Jährige ist ein gefeierter Künstler, um den sich die Galerien reissen.
Zum Nachdenken anregen
Einige seiner Bilder sind verstörend. Ein Wandbild in London etwa, auf dem ein Kind Seil hüpft. Über ihm, auf dem Flachdach sitzen zwei grosse Raben. Durch ein Loch im Dach drohen sie, dem Kind in den Kopf zu hacken, sobald es zu hochspringt.
Mehdi Ghadyanloo möchte die Menschen zum Nachdenken anregen. Indem er im Smog von Teheran zum Beispiel einen stahlblauen Himmel and die verschmutzte Fassade malt.
Ist das Aktivismus, wenn man dermassen subtil auf die Luftverschmutzung anspielt? Ghadyanloo lenkt ein: «Auch meine Fähigkeiten sind begrenzt – Kunst kann nicht alle Probleme lösen. Aber Kunst kann die Aufmerksamkeit der Leute auf gewisse Themen lenken.»
Hören Politiker auf Künstler?
Je länger Mehdi Ghadyanloo im Schnee von Davos über seine Kunst nachdenkt, umso zurückhaltender wird er. Ein Militärhelikopter überwacht die Szenerie von oben. Scharfschützen liegen auf den Dächern, zum Schutz der Spitzenpolitiker und Wirtschaftsführer.
Was, wenn diese sich nach Trumps Rede keinen Deut um die Diskussion der Künstler scheren? «Dann», sagt Ghadyanloo, «haben wir zumindest das Bewusstsein der normalen Menschen geschärft.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 25.1.2018, 17:10 Uhr