Konflikte um künstlerische Nachlässe sind häufig vielschichtig: Da ist die emotionale Ebene, die Gefühle der Erben, das Interesse der Öffentlichkeit, finanzielle und juristische Aspekte.
Als Rechtsanwalt hat Florian Schmidt-Gabain oft mit solchen Konflikten zu tun. Die Arbeit mit Nachlässen fasziniert ihn so sehr, dass er in Zürich zusammen mit Thomas Strässle das Zentrum für künstlerische Nachlässe ins Leben gerufen hat.
Da ist der Wurm drin
«Damals hatte ich gerade drei künstlerische Nachlässe auf meinem Tisch. Bei allen war irgendwie der Wurm drin. Es ist nicht vorwärtsgegangen, die Leute haben gestritten und in allen drei Fällen hat der Nachlass darunter gelitten», erinnert sich Florian Schmidt-Gabain.
Oft entzünden sich Konflikte an der Frage, ob man Werke posthum auf den Markt bringen und wann man unveröffentlichte Texte oder Aufnahmen herausgeben soll.
Auf den Markt bringen?
«Gerade bei unveröffentlichten Werken kann es wichtig sein, dass man einen Plan hat, wann man welches Werk veröffentlicht. Man sollte sich überlegen: Was wird das für eine Wirkung haben? Gibt es in Zukunft immer noch Dinge, die unveröffentlicht sind, um den Nachlass im Gespräch zu halten?», erklärt Rechtsanwalt Florian Schmidt-Gabain.
Damit ein Künstler oder eine Künstlerin nicht in der Versenkung verschwindet, muss das Werk in der öffentlichen Wahrnehmung präsent sein, auf dem Markt und im Ausstellungsbetrieb. Gleichzeitig soll man einen Nachlass nicht einfach verscherbeln. Wie findet man die richtige Balance?
Mit solchen Themen will sich das neue Zentrum befassen, das sich durch Sponsoren finanziert. Es richtet sich an Erben ebenso wie an Institutionen, die mit Künstlernachlässen zu tun haben: etwa Galerien, Plattenlabels oder Verlage.
Wie im Fall von Franz Kafka
Das Zentrum ist weder ein Archiv noch eine Beratungsstelle. Es versteht sich als wissenschaftliche Institution, die Vorträge, Konferenzen und Seminare organisiert. Eigene Räume hat es nicht. Die Veranstaltungen finden an wechselnden Orten statt.
«Wir sehen uns als Plattform, die Wissen sammelt, hinterfragt und vielleicht auch Wissen schafft. Das wird dann an Personen weitergegeben, die das verwenden können», sagt Schmidt-Gabain.
Im Vordergrund stehen exemplarische Fragen, die über den Einzelfall hinaus relevant sind. Was tun, wenn der letzte Wille des Künstlers nicht im Interesse der Öffentlichkeit ist? Florian Schmidt-Gabain nennt als Beispiel den berühmten Fall von Franz Kafka, der eigentlich die Verbrennung seines Werks nach seinem Tod verfügte.
Oder die schwedische Malerin Hilma af Klint, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts abstrakte Malerei schuf und nun mit grosser Verspätung posthum gefeiert wird:
«Auf einmal wollen alle etwas von diesem Nachlass. Ist es eine gute Idee, wenn nun Galerien diesen Nachlass auf dem Markt platzieren möchten? Wie kann man Strategien entwickeln, um dieses Interesse für den Nachlass fruchtbar zu machen?»
Mit solchen Fragen an der Schnittstelle von Theorie und Praxis möchte sich das Zentrum für künstlerische Nachlässe in Zukunft beschäftigen.