«Vorsicht Treibsand», warnen gelbe Tafeln am weiten Strand. Ist das jetzt bereits ein Scherz? Nein, ist es nicht. Mehrmals mussten hier Menschen bereits gerettet werden, weil sie den Anstieg der Flut unterschätzten. Ich bin angekommen in Englands Südwesten, in Weston-Super-Mare, einem Seebad nahe der Städte Bristol und Bath.
Die Badesaison ist hier kurz. Fest verschlossen die farbigen Kabinenboxen an der Uferpromenade, die das gleichmässige Braungrau des betagten Örtchens etwas aufwerten sollen. Bis der nächste Sommer kommt.
Ein trostloses Vergnügen
Und doch herrscht viel Betriebsamkeit, alles strömt hin zu einem grau eingemauertem Gelände. «Dismaland» verheissen die geschwungenen schwarzen Lettern – eine Anspielung auf Disneyland, kombiniert mit dem Wort «dismal», Englisch für «trostlos».
Rund viertausend Besucher folgen täglich dem Ruf des Kult-Streetart-Künstlers Banksy aus Bristol. Am Eingang werden sie empfangen von Personal mit aufgestülpten Micky-Maus-Ohren. Alle, gut instruiert, verziehen keine Miene, geben sich so missmutig wie sie nur können. Schliesslich soll man sich hier nicht amüsieren, sondern verwirren lassen, so das Motto des Parks.
Makabere Spässe des Meisters
Schauplatz ist das frühere Lido «Tropicana», eröffnet im Jahr 1937. Lange stand es leer. Banksy gab zu Protokoll, hier seine Kindheit und Jugend verbracht zu haben.
Vielleicht hat er schwimmen gelernt im Aussenpool, der zu seinen besten Zeiten der grösste in ganz Europa war. Heute schimmert das Wasser dort giftig grün und ein gepanzertes Wasserwerferfahrzeug der Polizei steckt hier fest mit einer grünen Notrutsche an der Seite.
Cinderellas tödlicher Unfall
Andernorts lassen sich Miniaturpolizeiboote in einem Becken fernsteuern. Eine Art Schiffe versenken. Bloss: Die Gejagten sind Flüchtlinge, zusammengepfercht auf kleinen Kuttern. Mir gefriert tatsächlich so langsam das Lachen.
Vielleicht bietet das lottrige Märchenschloss etwas Erleichterung. Doch weit gefehlt. Cinderella ragt kopfüber aus ihrer umgekippten Kutsche. Ein gefundenes Fressen für die Blitzlichter der Paparazzi, inspiriert von Prinzessin Dianas tödlichem Autounfall in einem Pariser Tunnel.
Irritieren statt platt unterhalten
So setzt Banksy der Mediengesellschaft ihr hässliches Spiegelbild vor. Das hier ist britischer Humor «at its best», wie ihn bereits Monty Python pflegten: böse, sarkastisch, ohne Rücksicht auf edle Gefühle.
Und die Besucher machen alles ohne Proteste mit. Sie lassen sich nach dem erfolgreichen Fischen eines Plastikentchens mit einem Fischstäbchen aus Pappe abspeisen.
Viele tragen willig die schwarzen Ballone am Arm mit der Aufschrift «Ich bin ein Idiot». Was das alles soll? Letztlich geht es darum, dabei gewesen zu sein, bei einem nicht alltäglichen Event. In seinen besten Momenten hat er das Potenzial, unsere Routinen durchzubrechen.