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Kunst Ästhetik der Räuberbarone: Viktor Janukowitschs «Artefakte»

Als der gestürzte Präsident der Ukraine noch über ein Ende der Gewalt auf dem Maidan verhandelte, packten seine Mitarbeiter bereits die Koffer. In der Nacht setzte sich Janukowitsch ab, musste aber vieles zurücklassen. Jetzt sind diese Gegenstände im Nationalen Kunstmuseum zu sehen.

«Soviel goldene Bilderrahmen, so wenig Kunst», kommentiert der Galerist Pawlo Gudimow seinen ersten Eindruck, als er die Ausstellung besucht. Tatsächlich sahen sich die Kuratoren Oleksandr Roitburd und Alissa Loschkina vor die schwierige Aufgabe gestellt, hier Kitsch und Kunst in einem schlüssigen Ausstellungskonzept zu vereinen. Nun schreiten die Besucher wie durch ein Buch, das in einzelnen Kapiteln über Narziss und Psyche postsowjetischer politischer Eliten erzählt.

Ein Holzhaus im Rokoko- und Empire-Stil

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Wir wollten zeigen, was den Kunstgeschmack dieser Kaste am genausten charakterisiert, sagt Alissa Loschkina. Für sie sei das der Eklektizismus, eine absolute Inkonsequenz. Bei Janukowitsch beginne dies bereits mit seiner Residenz «Meschigyria» selbst. «Wer bitte baut sich ein Holzhaus mit einer Inneneinrichtung im Rokoko-Stil? Und errichtet dazu noch Nebengebäude im stalinistischen Empire-Stil? Unsere Ausstellung zeigt nun eine ähnliche Gleichgültigkeit gegenüber Kunst und Kultur. Diese Schicht betrachtet alle Dinge nur als Dekoration ihres Lebens, ohne über den kulturellen Kontext der Dinge nachzudenken.»

Ein Fall für ein Psychiatrie-Museum?

Und so wundert es nicht, dass auf den Gesichtern vieler Besucher ungläubiges Staunen und blankes Entsetzen in rascher Reihenfolge abwechseln. Auch beim Galeristen Pawlo Gudimow, als er jenen Raum betritt, in dem das «Kapitel des Ruhms» aufgeschlagen wird. Hier finden sich, neben zahlreichen Janukowitsch-Porträts, auch Bilder aus dem Besitz seines ebenfalls geflohenen Generalsstaatsanwalts Wiktor Pschonka.

Der liess sich als Generalfeldmarschall auf dem Schlachtfeld von Borodino verewigen, während seine Frau von einer anderen Leinwand als Zarin herabblickt. «Das sollte man eigentlich nicht im Nationalen Kunstmuseum, sondern eher in einem Museum für Psychiatrie zeigen», meint Gudimow. Und eine andere Besucherin fragt gleichsam erstaunt wie erschrocken: «Wie kann man zuhause nur so viel nutzlose Dinge horten?»

Neben Prunk und Protz auch Kunstschätze

Für Kurator Oleksandr Rojtburd steht Janukowitschs Geschmack stellvertretend für eine janusköpfige Generation. Sie schwärmte vom Sieg der Arbeiterklasse, aber im Innersten träumte sie davon, so zu leben wie die russischen Zaren. Rojtburd nennt den sich daraus entwickelnden Kunstgeschmack eine «Ästhetik der Räuberbarone».

Genau das ist es, was die Ausstellung in Kiew zeigt. Es dürfte also Zufall sein, dass sich zwischen all dem Prunk und Protz doch noch der eine oder andere Kunstschatz findet – eine Vase von Picasso etwa, wertvolle Ikonen aus dem 14. bis ins 19. Jahrhundert oder eines der ersten in Osteuropa gedruckten Bücher aus dem Jahre 1574. Nicht zu vergessen das wohl teuerste Stück der Sammlung: Das Gemälde «Christus und Sünderin» des Post-Impressionisten Vasilij Polimenow wurde vor drei Jahren bei Bonhams in London für vier Millionen Pfund ersteigert.

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