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Eine Restauranteurin bei der Arbeit.
Legende: Filigrane Arbeit: Eine Restauratorin in der National Gallery. Xenix Films

Kunst Alte Meister, neue Probleme: Die «National Gallery» im Wandel

Was tun Menschen, die in einem Museum arbeiten? Und mit welchen Probleme haben sie zu kämpfen? Der Dok-Film «National Gallery» von Frederick Wiseman zeigt den Alltag im berühmten englischen Museum. Und leuchtet hinter die Kulissen, wo nicht alles so glänzend ist wie die Alten Meister.

Holbein, Poussin, Velazquez, Rembrandt, Turner, Tizian, Caravaggio: Die Sammlung der National Gallery ist grossartig. Und die Bilder, die Wisemans Dokumentarfilm zeigt, sprechen. Melancholisch blickt Rembrandt von einem Selbstporträt in die Linse. Fassungslos sieht Rubens' Delilah auf den schlafenden Samson, den sie eben verraten hat. Bei diesen Schätzen ist es kein Wunder, dass jährlich sechs Millionen Besucher durch die Säle wandern. Was sie darin tun und wie das Museum als Institution dafür sorgt, dass sie das auch weiter tun, das ist Thema von Frederick Wisemans Dok-Film.

Langeweile? Von wegen!

Ein Mitarbeiter der National Gallery schnitzt an einem goldenen Rahmen.
Legende: Viel Liebe und Aufwand für einen Rahmen: Ein Mitarbeiter der National Gallery. Xenix Films

2011 und 2012 hat er zwölf Wochen in der National Gallery gefilmt – vor und hinter den Kulissen. Wer denkt, dass im Museum nichts läuft, täuscht sich. Im Film suchen Kuratoren und das technische Personal die ideale Beleuchtung für ihre Bilder – oder die richtige Wandfarbe. Restauratoren kämpfen wie Chirurgen um die Bilder auf ihrem Tisch. Besucher schauen amüsiert, müde, begeistert Kunst an. Und Kunstvermittler des Besucher-Services machen fantastische Führungen.

«Mit Büchern verbringt man Zeit. Bilder haben bloss einen Augenblick, um ihre Geschichte zu erzählen», sagt ein junger Guide einer Horde gebannter Teenies. Die National Gallery ist ein Museum für Alte Meister. Der Vermittlungsaufwand, um diese alten Bilder in die Gegenwart zu holen, ist enorm.

Rätsel im Bild sind Honig für Kunstbegeisterte

Das Geld für die Gründung der Gallery und ihrer Sammlung gehe auf den Sklavenhandel zurück, sagt eine Künstlerin, die Kunststudenten durch die Sammlung führt. Und eine dritte Guide sagt vor einem fantastischen Vermeer, dass die Interpretationen von Kunsthistorikern nie zu einem Ende kommen werden. «Es gibt immer wieder Elemente, die zweideutig sind. Das ist absichtlich so. So schenkt man dem Bild Aufmerksamkeit», sagt sie. Rätsel im Bild sind also der Honig, mit dem Kunstbetrachter-Bären angelockt werden.

Die Guides sprechen in aller Kürze drei wichtige Dinge an: die Bedingungen des Mediums Malerei, die Bedingungen zum Aufbau einer Sammlung und die Eigenheiten der Rezeption. So breit kann das Hauptthema von Wisemans Film aufgefächert werden: das Sehen in all seinen Facetten.

Das Museum ist ein Luxus, den man sich leisten muss

Dieses Sehen ist nicht selbstverständlich. Das wird spätestens in den Direktionssitzungen deutlich. Da wird um Werbung, Vermittlung und PR gerungen. Es wird gestritten, ob es nützlich sei, wenn ein Sportanlass vor dem Haus stattfindet. Direktor Nicolas Penny kämpft gegen alles, was nach populärer Anbiederung riecht, führt aber höchstpersönlich und mit steifer Oberlippe ein VIP-Pärchen durch die neue Ausstellung.

Klar wird in den drei Stunden des Films: Das Museum als öffentliche Einrichtung ist ein Paradies für die Menschen, die dort arbeiten, die Kunst lieben und für die Besucherinnen und Besucher. Das Museum als öffentliche Einrichtung ist aber auch ein Luxus, den man sich leisten können muss. Dass das so bleibt, ist heutzutage alles andere als sicher. Das macht eine kürzliche Meldung deutlich.

Streikende Mitarbeiter

Einige Säle der National Gallery mussten vor einer Woche geschlossen werden. Teile des Wachpersonals und der Besucherdienste streikten fünf Tage lang. Grund für den Arbeitsausstand: Die Direktion will die Sicherheits- und Besucherdienste der National Gallery privatisieren. Die 400 betroffenen Mitarbeiter leisten Widerstand. Sie haben in kurzer Zeit über 40'000 Unterschriften gegen die Privatisierung gesammelt.

Auch wenn Wisemans Film über die National Gallery diese aktuelle Wendung nicht mehr dokumentiert, finden sich die Gründe bereits im Film. Düstere Zahlen präsentiert die kaufmännische Direktion. 3,2 Millionen Pfund dürfen im kommenden Jahr ausgegeben werden. Eine Million weniger als im Vorjahr. Die Lösung wie üblich: Personalkosten sparen.

Veränderung bedeutet: Private übernehmen

Eine Tänzerin in der National Gallery.
Legende: Neue Events für mehr Geld: Die National Gallery lockt mit Zusatz-Veranstaltungen – wie etwa Tanzvorführungen. Xenix Films

Um das Budget auszugleichen, wurde bereits zum Zeitpunkt der Dreharbeiten das Wachsystem verändert, Personal reduziert. Die ganze Diskussion, die Wiseman schon vor drei Jahren dokumentierte, liefert Hinweise darauf, dass die Dienste, die jetzt privatisiert werden sollen, schon damals ausgequetscht wurden wie eine Zitrone, um Kosten zu sparen. Und das steht auch im Zusammenhang mit den Subventionskürzungen, die die National Gallery wie die übrigen britischen Museen auch seit 2010 erleiden musste. Von 23,5 Millionen Pfund im Jahr 2009 auf gut 22 Millionen Pfund im aktuellen Budget.

Im Zusammenhang mit dem aktuellen Streik argumentiert Direktor Nicolas Penny, dass für eine öffentliche Einrichtung mit weniger öffentlichen Mitteln Veränderung das einzige Mittel sei. Denn aufgefangen muss der Einschnitt durch Geld aus Extra-Anlässen abends und am Wochenende. Dafür braucht es flexiblere Arbeitsverträge beim Personal. Die Gewerkschaft PCS, in der über 200 Mitarbeiter der National Gallery organisiert sind, ist bereit über flexiblere Verträge zu verhandeln.

Die angekündigte Privatisierung der Sicherheits- und Besucherdienste ist aber mehr als ein Einschüchterungsversuch während laufender Verhandlungen, denn ein Teil der National Gallery wurde während der grossen Rembrandt-Ausstellung bereits von den Angestellten einer privaten Firma überwacht. Deren Engagement wird als Übergangsmassnahme auf das ganze Jahr 2015 verlängert.

Sparen, bis die Liebe zur Kunst erlöscht

Frederick Wisemans Film hält also nicht nur fest, was ein Museum im besten Falle der Fälle ist: Ein Haus, in dem Kunstverliebte alles tun, um ihre Liebe auch den Besuchern zu vermitteln. Wisemans Film hält auch fest, wie sich öffentliche Einrichtungen unter ständigem Kostendruck verändern. Soweit, bis von der Kunstliebe nicht mehr viel übrig bleibt.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 12.2.2015, 7:15 Uhr

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