Die Ausstellung über Roberto Donetta in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur beginnt mit einem Selbstporträt. Ein etwas traurig wirkender Mann mit Schnauz trägt ein Pappschild in der Hand: «Felicitazioni et auguri.» Bloss passen Glückwünsche und Grüsse nicht zum melancholischen Gesicht dieses Mannes.
Unbezwingbare Leidenschaft
Roberto Donetta war ein Aussenseiter, ein Sonderling, mit einer kostspieligen Leidenschaft, die sich der zeitlebens arme Händler leistete. Donetta wollte unbedingt fotografieren und tat es von ungefähr 1900 bis 1930 unterwegs in seinem Tal. Er habe wohl einen unbezwingbaren Drang in sich gespürt zu gestalten, sagt Peter Pfrunder Direktor der Fotostiftung Schweiz, der die Ausstellung kuratiert.
Donettas Gestaltungswille ist in seinen originellen Bildern lesbar. Er kopiert nicht die zeitgenössische Studiofotografie aus der Stadt, sondern findet im Bleniotal zu eigenen Lösungen; er drapiert eine Handvoll Kinder wie Äpfelchen in einen Baum oder wie Blüten zwischen gigantische Kohlkopfblätter.
Für das Selbstportrait mit Familie steckt Donetta seinen Kopf und den seiner Frau in einen Korb – als seien die beiden in der Situation gefangen. Zwei Metzger posieren nicht einfach vor der eben geschlachteten Sau, sondern verabschieden sich von ihr und halten ihre Voderpfoten. Donettas Fotos sind Alltagsdokumente und inszenierte Bilder mit symbolischem Gehalt.
Ein Tal entwickelt sich
Donetta expermimentierte auch mit reportagenhaften Elementen und dokumentierte, wie die Moderne ins Bleniotal einbrach: Arbeiter legen Trassees für die Eisenbahn an, bauen Brücken, verlegen Telefonleitungen. Donetta fotografierte, dokumentierte die Veränderung, wollte vielleicht die alte Welt festhalten. Dass er das mit einem Apparat der Moderne tat, gehört zur Ambivalenz von Donettas Schaffen.
Man kann im Falle Donettas durchaus von «oeuvre, «Werk» und «Schaffen» sprechen. Der Aussenseiter und Autodidakt aus dem Bleniotal habe sich als Künstler verstanden, sagt Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung Schweiz. Und führt als Beleg eine Stelle aus Donettas Notizbuch an, in der er sich beklagt, seine Kamera sei gepfändet worden und er «von seiner Kunst» getrennt.
Wiederentdeckung eines Künstlers
Im Tessin gab es bereits Ausstellungen über diesen einzigartigen Fotografen aus dem Bleniotal. Nun ist das Werk zum erstenmal auch in der Deutschschweiz zu entdecken – beides nur dank eines glücklichen Zufalls.
Nach Donettas Tod 1932 wurde seine Fotoausrüstung versteigert, um die Schulden zu tilgen. Seine Fotos gerieten in Vergessenheit. Bis Mitte der 1980er-Jahre in einem Stall 5000 belichtete Glasplatten gefunden wurden – unbeschädigt. Rund 120 Abzüge sind jetzt in der Fotostiftung Schweiz zu sehen.