Grell, kitschig und zu Kontroversen anregend, so zeigte sich die chinesische Gegenwartskunst in der Ausstellung «Mahjong» 2005 im Kunstmuseum Bern. Die Riesenschau mit Werken aus der Sammlung des Schweizer Unternehmers und Ex-Botschafters Uli Sigg entfachte einen Chinakunst-Boom.
Jetzt legen Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee nach, wiederum mit Werken aus der Sammlung Sigg. Gemeinsam zeigen sie eine China-Ausstellung, die noch umfangreicher als ihre Vorgängerin ist, dabei aber stiller, nachdenklicher, weniger exotisch.
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Was wissen wir über chinesische Kunst?
Der Titel «Chinese Whispers» ist Programm. Im angelsächsischen Sprachraum bezeichnet der Begriff ein Kinderspiel, hier als «Stille Post» bekannt: Ein Satz wird von Ohr zu Ohr geflüstert, was am Ende ankommt, ist nicht unbedingt das, was der oder die erste in der Kette gesagt hat.
In diesem Titel klingt an, dass viele Werke ausserhalb Chinas einer intensiveren Vermittlung bedürfen, vor allem solche, die sich auf das aktuelle, politische Zeitgeschehen beziehen. Denn auch für das interessierte, lesende, Medien nutzende Publikum sind China und seine vielfältigen Probleme vor allem eines: sehr weit weg. In diesem Sprachbild findet sich aber auch ein Hinweis darauf, dass vieles, was man im Westen über China und chinesische Gegenwartskunst zu wissen glaubt, auf unsicherem Boden steht.
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Nach «Mahjong» glaubte man, plüschiger Pandabär-Kitsch und poppige Parodien auf maoistische Propaganda-Plakate oder auf westliche Klassiker der Moderne sei die chinesische Kunst der Stunde. Nun will Ausstellungskuratorin Kathleen Bühler zeigen, dass sich der Zeiger weitergedreht hat.
Mit «Chinese Whispers» möchte sie aktuelle chinesische Kunst abseits vom Chinakunst-Klischee zeigen. Dafür hat sie aus der 2300 Werke beinhaltenden Sammlung Uli Sigg 150 Arbeiten ausgewählt.
Idyllen und Apokalypsen
Doch eine Ausstellung, eine Sammlung – wie umfangreich und sorgfältig ausgewählt sie auch sein mag – kann nur schwerlich ein so riesiges, so vielfältiges und sich so rasant veränderndes Land wie China abbilden, dessen ist Bühler, die am Kunstmuseum Bern die Abteilung Gegenwart leitet, bewusst. Sie sei mit der Frage an die Ausstellungskonzeption herangegangen, welche Geschichten sich mit der Sammlung von Uli Sigg erzählen lassen.
Die Geschichten, die Bühler mit der Ausstellung zeigt, betonen eher die Gemeinsamkeiten zwischen der europäischen und der asiatischen Welt als die Unterschiede. Die Globalisierung macht uns alle zu Nachbarn.
Politik und Gesellschaft Chinas
Zahlreiche junge Kunstschaffende in China reagieren auf die Veränderungen in ihrem Land und weltweit mit einem Blick auf Traditionen. Ein schönes Beispiel: Jin Jiangbo lässt Tuschzeichnungen idealer Landschaften in einem interaktiven Video aufleben. Auch religiöse Themen spielen eine deutliche Rolle. Nicht nur Symbole aus Buddhismus und Daoismus tauchen auf. Tsang Kin-Wah hat auch Licht und Buchstabenketten eine Videoinstallation geschaffen, die die christliche Apokalypse in Szene setzt.
Viele Kunstschaffende verspüren aber auch das Bedürfnis, sich mit dem politischen und sozialen Geschehen in ihrem Land auseinanderzusetzen. Davon zeugen Arbeiten wie ein aus Leder genähter Panzer von He Xiangju oder ein Diagramm der Bürokratie von Song Ta.
Gratis-PR für Sigg?
«Chinese Whispers», das klingt auch wie ein unbeabsichtigtes Echo auf den von Kritikern erhobenen Vorwurf, das Kunstmuseum Bern und das Zentrum Paul Klee machten sich allzu bereitwillig zur Spielwiese für Uli Sigg.
Natürlich kann man sich fragen, welche Rolle Privatsammler in der Kunstwelt spielen sollen und dürfen. Dabei muss man sich dann aber auch eingestehen, dass eine Ausstellung wie «Chinese Whispers» ohne die Sammlung Sigg für die beiden Berner Museen nicht machbar gewesen wäre.