Gleich zu Beginn in der Langenthaler Ausstellung werden grosse Fragen gestellt: «Was wird meine Niederlage sein?» oder «Was ist unumgänglich?». Vorgesetzt bekommt man sie vom ältesten der ausgestellten Künstler, dem 50-jährigen aus Delhi stammenden Atul Bhalla. Er bespielt mit seinen Fragen, die unter Selbstportraits stehen, den langen Gang im Kunsthaus Langenthal.
Nicht ohne Grund hängen diese Fotografien, in denen Wasser eine grosse Rolle spielt, genau hier. Denn unter dem Gang im Kunsthaus fliesst die Langete durch, der Fluss, der in Langenthal in regelmässigen Abständen zu Hochwasser führt.
Sinniger Weg von Indien nach Langenthal
Solche Bezüge von den Werken der Künstler zum Berner Städtchen Langenthal gibt es immer wieder. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass die indische Kunst sich wunderbar in die Ausstellungsräume einfügt.
So auch wenn die 1970 geborene Archana Hande ihre Arbeit arrangeyourownmarriage.com in dem Zimmer ausstellt, wo früher die Langenthaler standesamtlich getraut wurden. Was für ein wohlüberlegter Clash der Kulturen: ihre grellbunten, von der Werbeindustrie inspirierten Plakate über den idealen Partner hängen über der alten Eichenholztäfelung des Raums.
Das urchige Schweizer Stübli kontrastiert mit den satirisch übertriebenen Plakaten zur arrangierten Heirat, die in Indien immer noch üblich ist. Daraus entstehen Bedeutungsräume, die den Blick in die Ferne lenken, genauso wie auf die eigene Gesellschaft und ihre Zwänge.
Stile und Genres unverkrampft verbunden
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Die Ausstellung lebt neben diesen feinen Bezügen zur Schweizer Kultur auch von ihrer Vielfältigkeit. Neun Künstler und Künstlerinnen der Jahrgänge 1964-1989 stellen im Kunsthaus aus. Jegliche Art von Medien und verschiedenste Themen finden Eingang in die Ausstellung: Videos, Animationen, Social Media, Projektionen, Fotografien, Installationen. Der Stil der Künstler und Künstlerinnen ist innovativ, jung und experimentierfreudig und verbindet unterschiedlichste Genres völlig unverkrampft miteinander.
Das Themenspektrum umfasst das überbordende Konsumverhalten der modernen indischen Kultur genauso wie die Jahrtausende alten Epen, Sagen und Heldengeschichten, die für die Inder und Inderinnen bis heute eine grosse Rolle spielen.
Kunst, die sich nicht scheut, schön zu sein
Eveline Suter, die Initiantin und Kuratorin der Ausstellung, betont, dass die Ausstellung keine Überblicksschau über indisches Kunstschaffen sein soll. «Ich hätte noch tausend andere Ausstellungen machen können. Das hier ist einfach eine Auswahl von Künstlern, die mich auf meinen Ateliertouren durch Indiens Grossstädte besonders beeindruckt haben».
Und doch: Die Besucherin meint, eine Ahnung zu bekommen vom Geist der zeitgenössischen, indischen Kunst. Da ist eine grosse Lust zu spüren, eine Lust am Experiment, aber auch ein sehr starkes Bewusstsein für Tradition und die eigene Geschichte.
Die Ausstellung zeigt sehr intuitive, sehr zugängliche Werke, die sich nicht davor scheuen, auch einfach mal schön zu sein. Da braucht es keine komplizierten Bezüge oder eine Adelung durch besonders fragende Besucherblicke.
Der grosse Gewinn der Ausstellung ist, dass sie es schafft zu inspirieren, ohne den Umweg über die Verwirrung zu gehen, die zeitgenössische Kunst doch immer wieder mal hervorrufen kann.