Die Diskussion über Sinn und Unsinn von Kunst in der Öffentlichkeit ist alt – und alt ist auch die «Schweizerische Plastikausstellung». Sie findet seit 1954 alle fünf Jahre in Biel statt. Skulpturen werden unter freiem Himmel gezeigt – und rege diskutiert.
Dieses Jahr jedoch weichen die Kuratoren vom Konzept ab: Sie zeigen keine starren Plastiken, sondern bespielen die Stadt mit Performances, mit sich bewegenden Körpern. Um die Bevölkerung abzuholen, reichen starre Denkmäler oder Skulpturen nicht mehr. «Le Mouvement» heisst die bewegte Ausstellung, Gianni Jetzer ist einer der Kuratoren.
Wieso auf einmal Performances statt Skulpturen an der traditionsreichen Bieler Plastikausstellung?
Gianni Jetzer: Performance ist eine sehr unmittelbare Kunstform. Durch den direkten Kontakt zwischen Künstlerinnen und Publikum entsteht Kommunikation – ein verständnisloser Blick oder ein anerkennendes Nicken. Wir versuchen, eine Reibung zu provozieren zwischen Performern und Passanten. Damit die Routine zusammenbricht und Ungewöhnliches stattfindet, dass man ein zweites Mal hinschaut und Position bezieht. Wenn wir einen Wunsch haben mit «Le Mouvement», ist es, die Wahrnehmung dieser Stadt Biel nachhaltig zu verändern.
Wie hat sich die Performance, diese Kunstform aus den 60er-Jahren, gewandelt?
In den 60er-Jahren unterschied sich Performance vom Theater dadurch, dass die Künstler selbst die Performance ausführten. Mittlerweile hat sich dies verändert und ausgeweitet: Die Performance ist ein Konzept und kann von verschiedenen Menschen ausgeführt werden. Es muss nicht die Autorin oder der Autor sein.
Dadurch wird sie kopierbar …
Sie wird wiederholbar – aber es gibt eine Autorenschaft, eine Idee und ein Konzept. Dieses Konzept muss man genau wiedergeben können, dadurch gibt es eine gewisse Genauigkeit. Es ist nicht beliebig. Es reicht nicht, sich einfach nackt auszuziehen. Es geht wirklich darum, etwas zu schaffen – Zeitlichkeit zu modulieren oder Raumverhältnisse zu verändern. Wir wollen Leute dazu ermutigen, den Raum zu beanspruchen. Vielleicht auch zu spüren, dass dieser öffentliche Raum uns allen gehört. Und dass man sehr viel mehr machen kann als den Raum als Transitraum zu benützen, auf den Bus zu warten oder sich zu sonnen.
Ist dieses sehr direkte Ansprechen und die Aufforderung ans Publikum, selber aktiv zu werden, etwas, das die Performance einer klasssischen Ausstellung voraus hat?
Man kann die Formate Ausstellung und Performance miteinander vergleichen, aber kaum gegeneinander ausspielen. Es passiert ja oft, dass Strassenperformances dokumentiert werden, als Fotos oder als Film und dann trotzdem im Kunstraum gezeigt werden. Das ist eine Qualität von Performances, dass sie Eventcharakter hat und eine Lebendigkeit besitzt, die eine Ausstellung vielleicht nicht hat. Und es ist gleichzeitig ein Risiko, weil die Performance natürlich vereinnahmt wird von der Eventkultur, von einer Gesellschaft des Spektakels.
Wie kann man dies verhindern?
Wir versuchten, mit der Einfachheit unseres Ansatzes dieser Gefahr auszuweichen. Etwas zu tun, das eben nicht zu Strassentheater mutiert, wo die Leute am Schluss applaudieren und wo der Zuschauerraum und die Bühne wieder formuliert werden. Wir möchten etwas machen, das viel versteckter ist und unter dem Radar der Öffentlichkeit geschieht und sich ins Stadtgefüge infiltriert.